Fieses Karma
Idee, alles zu notieren. Sonst müsste ich nun versuchen, einen Wirrwarr an Gedanken und Erinnerungen zu sortieren.
Ich nehme meinen Rucksack, ziehe die Schulbücher heraus und suche nach dem Notizbuch. Es ist nicht da
Komisch , denke ich. Es ist doch immer im Rucksack. Dann überlege ich, ob es irgendwo im Zimmer sein kann. Bei all der Aufregung in der letzten Woche habe ich es wahrscheinlich irgendwo hingestopft und dort vergessen. Ich durchwühle die Schreibtischschubladen, suche es unter dem Bett, im Schrank, sogar in meinem Badezimmer, denn ich könnte es (theoretisch) auch zwischen den Shampoos unter dem Waschbecken versteckt haben. Aber ich kann es nirgendwo finden.
Mein Herz fängt an zu pochen. Ich rufe Jade an und frage sie, ob ich das Notizbuch bei ihr liegen gelassen habe. Nein. Dann rufe ich Angie an und frage sie dasselbe. Sie hat es auch nicht. Als ich mich wie benebelt wieder auf mein Bett sinken lasse undmir den Kopf halte, wird mir klar, dass es Zeit ist, Schutzmaßnahmen zu treffen. Denn ich spüre, dass der nächste Hurrikan in der Luft liegt.
Das Notizbuch des Karma-Klubs ist weg.
Spen, der schwedische
Assistenzarzt
Später am Abend ruft Spencer an, aber ich gehe nicht ans Telefon. Er hinterlässt eine total süße Nachricht auf meiner Mailbox und sagt, er hoffe, dass es meiner Schwester gut geht.
Natürlich geht es ihr nicht gut. Dank mir wurde sie mit dem Fahrrad angefahren! Aber ich glaube nicht, dass ich es ertragen würde, jetzt mit Spencer zu reden. Dann müsste ich ihm noch mehr Lügen auftischen, und dazu habe ich einfach keine Kraft mehr.
Auch Jade und Angie rufen an, aber ich ignoriere ihre Anrufe ebenso. Wie zum Teufel kann ich ihnen beichten, dass ich ausgerechnet das Notizbuch verloren habe, in dem unsere schlimmsten Geheimnisse aufgezeichnet sind? Das ist so, als würde der Präsident der Vereinigten Staaten zur Besprechung ins Oval Office kommen und zugeben, dass er die Codes für die Atombomben verloren hat. In seinem Fall würde ich einfach so tun, als sei nichts geschehen, und hoffen, dass unser Land nicht in die Luft gesprengt wird. Was auch exakt das ist, was ich zu tun gedenke.
Am nächsten Morgen in der Schule passt Jade mich an meinem Spind ab. Ich möchte ihr sagen, wie sehr es mich freut, dass es ihr endlich wieder besser geht und sie wieder das Haus verlassen kann, doch ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass sie nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung über ihren Gesundheitszustand ist. Sie fragt mich ohne Umschweife, ob ich das Notizbuch gefunden habe. Ich schwindle und antworte, ich hätte es gefunden.Doch Jade durchschaut die Lüge sofort und zerrt mich in einen Winkel. Ihre Miene wird todernst. »Maddy, du darfst dieses Notizbuch auf keinen Fall verlieren. Das weißt du selbst. Alles steht dadrin. Alles, was wir geplant haben, alles, was wir getan haben. Alle unsere Missionen. Es stellt eine Verbindung zwischen allem, was hier passiert ist, und uns her.«
»Das weiß ich doch!«, sage ich und schüttle ihren Arm ab. »Glaubst du etwa, mir ist das nicht selbst klar?«
»Also dann – wo ist es?« Ihre Stimme klingt so ernst und drohend, als würde sie mich zusammenschlagen, wenn ich das Ding nicht auf der Stelle hervorzaubere.
Hilflos hebe ich die Hände ein Stück. »Ich weiß es nicht. Okay? Ich weiß es gerade nicht. Ich muss es irgendwie verlegt haben.«
»Dann müssen wir es finden.« Sie sagt es so, als hätte ich selbst noch nicht daran gedacht. Als hätte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, das zu suchen, was uns als Übeltäter entlarvt. »Wo hast du es zuletzt gesehen?«
Ich seufze und verschränke die Arme vor meiner Brust. »Ich weiß nicht mehr«, sage ich und versuche verzweifelt, mich daran zu erinnern. »Ich glaube, im Bus letzte Woche. Ich hab es rausgeholt, um zu notieren, dass Ryan Feldmans Eltern ihm sein Auto weggenommen haben.«
»Und dann?«, bohrt Jade. »Was ist dann passiert?«
Ich reibe mir das Gesicht und versuche, mich zu erinnern. Aber ehrlich gesagt habe ich alle Erinnerungen an diese schrecklichen Busfahrten erfolgreich verdrängt. Was ist denn dann passiert? Ich saß im Bus und dann … »Ach ja, stimmt ja!«, sage ich. »Dann rief mich Spen…« Ich unterbreche mich mitten im Satz.
Jade wirft mir einen seltsamen Blick zu. »Spen hat dich angerufen? Wer ist Spen?«
»Äh«, stammle ich, bemüht, den Ausrutscher ungeschehen zumachen. »Ja, Spen. Das ist der schwedische Assistenzarzt in der Praxis meines
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