Fieses Karma
»Nein. Ich wünschte, ich hätte jemanden gesehen. Ich wünschte, ich könnte mehr sagen. Aber ich bin sofort zum Auto zurückgegangen und weggefahren. Ich wollteso schnell wie möglich nach Hause, um Mason das Verbandszeug zu bringen, das ich gekauft hatte. Er blutete ziemlich stark.«
Sofort spitze ich die Ohren und meine Augen werden größer. »Sie haben es für Mason gekauft?« Ich bin nicht sicher, warum ich das bisher nicht gewusst habe. Hat jemand es erwähnt? Weiß Angie davon?
»Ja, er hat sich beim Ausmisten des Geräteschuppens in die Hand geschnitten. Wir hatten kein Verbandszeug mehr im Haus und deswegen bin ich schnell hingefahren«, erzählt Mrs Brooks mir.
Jetzt bin ich völlig verwirrt. »Wie kommt es, dass Mason den Geräteschuppen am Samstagabend ausgemistet hat? War er denn nicht auf der Party im Apart…« Ich verstumme, als mir der Grund klar wird. Natürlich war er am Samstagabend zu Hause. Da hatte Heather ihn schon fallen lassen. Also wäre er auch nicht mehr ins Apartment zur Party eingelassen worden. Dafür hatte sie gesorgt.
»Maddy, ist alles in Ordnung mit dir?«, erkundigt sich Mrs Brooks und legt mir eine Hand auf die Schulter.
Sie wundert sich wohl darüber, dass ich mit offenem Mund dastehe und so aussehe, als hätte mich ein Bus überfahren.
Ich blinzle hastig. »Ja, danke, alles okay. Mir ist bloß gerade eingefallen, dass ich noch etwas zu erledigen habe. Vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben, Mrs Brooks.« Mit diesen Worten drehe ich mich um, renne die Stufen hinunter, klettere auf mein Rad und fahre in Windeseile zum Pine Valley Memorial Hospital.
Hunderte von Gedanken jagen mir durch den Kopf. Es ist nicht einfach, sie zu sortieren.
Vor dem Krankenhaus kette ich das Fahrrad an einen Telefonmast und stürze durch den Eingang zum Aufzug. Zwei Minuten später stehe ich atemlos und keuchend in Emilys Zimmer.
»Maddy?« Meine Mutter springt von ihrem Stuhl auf, als sie mich sieht. »Ist alles in Ordnung?«
Ich antworte nicht darauf. Stattdessen wende ich mich an Emily. »Du musst dich unbedingt daran erinnern, wer dich umgefahren hat. Wer war es? Wie sah er aus? An irgendwas wirst du dich doch erinnern können!«
Emily sieht mich an, als hätte ich total den Verstand verloren, und vielleicht habe ich das auch.
»Ich hab doch schon allen gesagt, dass ich es nicht weiß«, erwidert sie verwirrt. »Und dir auch, als du gestern Abend hier warst. Ich bin von hinten angefahren worden. Ich konnte gar nichts sehen.«
»Du musst was gesehen haben – einen Schuh, einen Arm, irgendwas!« Ich höre selbst den drängenden Ton in meiner Stimme, aber es ist mir egal.
»Madison«, sagt meine Mutter warnend. »Reg deine kleine Schwester nicht auf. Außerdem macht es keinen Unterschied, was sie gesehen oder nicht gesehen hat. Wir wissen schon, wer es war.«
Mühsam ringe ich nach Luft. »Ihr wisst es?«
»Ja«, sagt meine Mutter. »Er hat sich vor ungefähr einer Stunde gestellt und ein Geständnis abgelegt. Es war ein schlimmer Unfall und er bedauert zutiefst, was passiert ist. Seine Eltern haben schon zugesichert, dass sie die Krankenhauskosten übernehmen.«
»Und – wer ist es?«, frage ich, auch wenn ich mich vor der Antwort fürchte.
»Du kennst ihn sogar«, erwidert meine Mutter. »Es ist der Junge, mit dem Angie mal zusammen war. Ryan Feldman.«
Der Schmetterlingseffekt
Ich stolpere rückwärts, bis ich gegen einen Stuhl stoße, auf den ich mich sinken lasse.
Ryan Feldman . Ryan Feldman hat mit seinem Fahrrad meine Schwester umgefahren. Ryan Feldman wäre niemals Fahrrad gefahren, wenn seine Eltern ihm das Auto nicht weggenommen hätten. Und ich weiß genau, warum das passiert ist.
Wegen unseres Karma-Klubs.
Und was ist mit Mason Brooks? Er war am Samstag zu Hause. Er hat sich beim Aufräumen des Geräteschuppens in die Hand geschnitten. Deswegen hat seine Mutter spätabends Angie angefleht, den Drugstore noch einmal aufzuschließen, damit sie Verbandszeug kaufen konnte. Und nur weil die Tür offen war, konnten die drei bewaffneten Männer herein und Angie zwingen, die Kasse zu leeren. Doch Mason Brooks war nur aus einem Grund an diesem Samstagabend zu Hause geblieben.
Wieder der Karma-Klub.
Das darf doch alles nicht wahr sein! Es muss ein Albtraum sein.
Meine Mutter fragt mich mehrmals, ob mit mir alles in Ordnung ist und warum ich so blass bin, aber ich höre sie kaum. Als Ausrede sage ich, ich müsse noch Hausaufgaben machen, und verlasse
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