Fiesta
liegen.
5
Als ich am nächsten Morgen erwachte, ging ich ans Fenster und sah hinaus. Es hatte sich aufgeklärt, und es waren keine Wolken mehr auf den Bergen. Draußen unter den Fenstern waren ein paar Karren und eine alte Postkutsche, deren hölzernes Dach durch das Wetter gespalten und geborsten war. Sie war wahrscheinlich aus der Zeit, da es noch keine Omnibusse gab, übriggeblieben. Eine Ziege hopste auf einen der Karren und von da auf das Dach der Postkutsche. Sie nickte mit dem Kopf heftig den anderen Ziegen zu und sprang herunter, als ich ihr zuwinkte.
Bill schlief noch, ich kleidete mich an, zog meine Schuhe draußen auf dem Korridor über und ging hinunter. Niemand rührte sich unten; ich entriegelte die Tür und trat hinaus. Es war kühl draußen in der frühen Morgenluft, und die Sonne hatte den Tau noch nicht aufgetrocknet, der, als der Wind sich legte, gefallen war. Ich suchte in dem Verschlag hinter dem Gasthaus herum und fand eine Art Hacke und ging dem Fluß zu, um zu sehen, ob es Würmer gab, die man als Köder benutzen konnte.
Der Fluß war klar und flach, sah mir aber nicht nach Forellen aus. An dem grasigen Ufer, wo es feucht war, stieß ich die Hacke in die Erde und löste einen Grasklumpen. Darunter waren Würmer. Als ich die Sode hochhob, verschwanden sie, und ich buddelte vorsichtig und fand eine ganze Masse. Ich grub in dem feuchten Boden und füllte zwei leere Tabaksschachteln mit Würmern, und dann schüttete ich Erde darauf. Die Ziegen sahen zu, wie ich grub.
Als ich in den Gasthof zurückkam, war die Frau unten in der Küche, und ich sagte ihr, sie solle uns Frühstück machen und unser Lunch zum Mitnehmen einpacken.
Bill war wach und saß auf der Kante seines Bettes.
«Ich hab dich vom Fenster aus gesehen», sagte er. «Wollte dich nicht stören. Was hast du denn gemacht? Dein Geld eingebuddelt?»
«Fauler Hund.»
«Fürs Allgemeinwohl gearbeitet? Großartig. Das solltest du von jetzt ab jeden Morgen tun.»
«Los», sagte ich, «steh auf.»
«Was? Aufstehen? Ich stehe nie auf.»
Er kletterte wieder ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn.
«Versuch nur, mich zum Aufstehen zu bewegen.»
Ich suchte weiter unser Angelgerät zusammen und verstaute es in unseren Angelsack.
«Hast du kein Interesse daran?» fragte Bill.
«Ich geh runter frühstücken.»
«Frühstücken? Warum hast du denn nicht gleich frühstücken gesagt? Ich dachte, ich sollte nur so einfach zum Spaß aufstehen. Frühstücken? Wunderbar. Jetzt redest du vernünftig. Geh nur raus und buddel noch ein paar Würmer aus; ich komme gleich.»
«Geh zum Teufel.»
«Arbeite für die Allgemeinheit.» Bill stieg in sein Unterzeug. «Zeig Ironie und Mitleid.»
Ich wollte mit dem Angelgerät, den Netzen und dem Rutenkasten aus dem Zimmer.
«He! Komm mal her.»
Ich steckte meinen Kopf zur Tür herein.
«Willst du wirklich nicht ein bißchen Ironie und Mitleid zeigen?»
Ich faßte mich an die Stirn.
«Das ist keine Ironie.»
Als ich hinunterging, hörte ich Bill singen: «Ironie und Mitleid. Wenn ihr fühlt… gib ihnen Ironie, gib ihnen Mitleid. Gib ihnen Ironie. Wenn sie fühlen… Nur ein bißchen Ironie. Nur ein bißchen Mitleid…» Er sang, bis er herunterkam, nach der Melodie: «Die Glocken läuten für mich und für sie.» Ich las eine alte spanische Zeitung von voriger Woche.
«Was bedeutet denn nur Ironie und Mitleid?»
«Was? Weißt du wirklich nichts von Ironie und Mitleid?»
«Nein. Wer hat denn das aufgebracht?»
«Aber alle. In New York sind alle ganz verrückt damit. Genauso wie früher mit den Fratellinis.»
Das Mädchen kam mit unserem Kaffee und dem gebutterten Toast herein. Es war eigentlich mehr geröstetes Brot mit Butter.
«Frag sie, ob sie Marmelade hat», sagte Bill. «Sei ironisch mit ihr.»
«Haben Sie Marmelade?»
«Das ist doch nicht ironisch. Ich wünschte, ich könnte Spanisch.»
Der Kaffee war gut, und wir tranken ihn aus großen Schalen. Das Mädchen brachte einen Glasteller mit Himbeermarmelade herein.
«Danke.»
«He du, das ist nicht die richtige Art», sagte Bill. «Sag was Ironisches. Mach irgendein Wortspiel mit Primo de Rivera.»
«Ich könnte sie fragen, in was für eine Scheiße er im Rif hineingeraten ist.»
«Sehr schwach», sagte Bill. «Sehr schwach. Du kannst es nicht. Ganz einfach. Du verstehst eben nichts von Ironie. Du hast kein Mitleid. Sag etwas Bejammernswertes.»
«Robert Cohn.»
«Gar nicht schlecht. Ganz gut. Also weiter. Warum ist Cohn
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