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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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bejammernswert? Sei ironisch.»
    Er nahm einen großen Schluck Kaffee.
    «Verflucht. Es ist noch zu früh», sagte ich.
    «Nichts mit dir los. Und du beanspruchst einen Ruf als Schriftsteller? Du bist nur ein Journalist. Ein heimatloser Journalist. Du müßtest schon ironisch aus dem Bett steigen. Du müßtest über und über voll Mitleid aufwachen.»
    «Nur weiter», sagte ich. «Von wem hast du denn den ganzen Quatsch?»
    «Aber liest du denn nichts? Sprichst du denn mit keinem Menschen? Weißt du, was du bist? Du bist ein Heimatloser. Warum lebst du nicht in New York? Dann würdest du das alles wissen. Was soll man mit dir machen? Soll ich jedes Jahr herüberkommen, um dich auf dem laufenden zu halten?»
    «Trink noch ein bißchen Kaffee», sagte ich.
    «Gut. Kaffee ist gut für uns. Gerade das Koffein darin. Koffein, hier sind wir. Koffein bringt einen Mann in den Sattel und eine Frau ins Grab. Weißt du, was dir fehlt? Du bist ein Heimatloser. Eine der schlimmsten Typen. Hast du das noch nicht gehört? Niemand, der sein Heimatland verlassen hat, hat je etwas Vernünftiges geschrieben. Nicht mal druckenswert für die Zeitungen.»
    Er trank seinen Kaffee.
    «Du bist ein Heimatloser. Du hast den Kontakt mit der Erde verloren. Du posierst. Trügerische europäische Normen haben dich ruiniert. Du trinkst dich zu Tode. Du bist vom Sex besessen. Du redest die ganze Zeit, statt zu arbeiten. Du bist ein Heimatloser, siehst du es ein? Du bummelst in Cafés herum.»
    «Es klingt eigentlich ganz verlockend», sagte ich. «Und wann arbeite ich?»
    «Du arbeitest ja niemals. Manche behaupten, daß du dich von Frauen aushalten läßt. Andere behaupten, du bist impotent.»
    «Nein», sagte ich, «ich hatte nur einen Unfall.»
    «Erwähn das nicht», sagte Bill. «Das ist was, worüber man nicht spricht. Daraus müßtest du eine Art Mysterium machen. So wie Henrys Rad.»
    Er war gut aufgezogen gewesen; jetzt hielt er inne. Ich fürchtete, er würde glauben, daß er mich mit dem Witz über Impotenz gekränkt hätte. Ich wollte ihn wieder in Schwung bringen.
    «War gar kein Rad», sagte ich. «Es war beim Reiten.»
    «Ich hörte, es sei ein Dreirad gewesen.»
    «Na», sagte ich, «ein Flugzeug ist wie eine Art Dreirad. Und der Freudenspender ebenfalls.»
    «Aber man tritt doch nicht.»
    «Nein», sagte ich, «man tritt nicht.»
    «Na, wollen wir das nicht aus dem Spiel lassen?» sagte Bill.
    «Schön. Ich stand nur für das Dreirad ein.»
    «Ich halte ihn außerdem für einen guten Schriftsteller», sagte Bill. «Und du bist ein verteufelt netter Kerl. Hat dir schon mal jemand gesagt, daß du ein guter Kerl bist?»
    «Ich bin kein guter Kerl.»
    «Hör mal zu. Du bist ein furchtbar netter Kerl, und ich mag dich lieber als sonst irgendwen auf der Welt. Das konnte ich dir aber nicht in New York sagen. Da wäre ich mir wie ein Schwuler vorgekommen. Daraus ist der Bürgerkrieg entstanden. Abraham Lincoln war andersrum. Er liebte General Grant. Genau dieselbe Sache mit Jefferson Davis. Lincoln hat die Sklaven einfach wegen einer Wette befreit. Der Dred-Scott-Fall ist durch eine Anti-Saloon-Liga arrangiert worden. Geschlechtstrieb erklärt alles. Die Frau des Colonel und Judy O’Grady sind im Grunde Lesbierinnen.»
    Er schwieg.
    «Na, hast du noch nicht genug?»
    «Schieß los», sagte ich.
    «Ich weiß jetzt nichts weiter. Erzähle dir beim Lunch nachher mehr davon.»
    «Alter Bill», sagte ich.
    «Alter Schuft du.»
    Wir packten den Lunch und die zwei Flaschen Wein in den Rucksack, und Bill nahm ihn über die Schulter. Ich trug den Rutenkasten und die Käscher über meinen Rücken gehängt. Wir gingen den Weg hinauf, dann über eine Wiese und fanden einen Pfad, der über die Felder und in den Wald auf dem ersten Berghang führte. Wir gingen den sandigen Weg entlang. Die Wiesen waren wellig und voll Gras, und das Gras war kurz, weil Schafe dort gegrast hatten. Das Vieh war oben im Gebirge. Wir hörten seine Glocken im Wald.
    Der Weg überquerte den Fluß auf einem Balken. Der Balken war geglättet, und man hatte ein Bäumchen als Geländer darüber gebogen. Der Grund der flachen Pfütze neben dem Fluß war von Kaulquappen bedeckt. Wir gingen ein steiles Ufer hinauf und über wellige Felder. Als wir zurücksahen, erblickten wir Burguete, seine weißen Häuser, roten Dächer und die weiße Straße, auf der ein Lastwagen fuhr und den Staub aufwirbelte.
    Jenseits der Felder kreuzten wir noch einen rascher fließenden Strom. Eine sandige

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