Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
schneller wir hier weg sind, desto besser«, knurrte sie, ohne Warren anzusehen.
Die sanfte, mausgraue Frau schien von alldem entsetzt zu sein. Zweifellos gehörte sie ebenfalls zu Warrens Schülerinnen. Sie hatte sich noch weiter in ihre Ecke zurückgezogen.
»Komm, Quentin.«
Quentin erlitt wieder den Kälteschock und als sie diesmal das Portal durchschritten, geschah der Übergang nicht unmittelbar. Sie befanden sich anderswo, in einer halbdunklen Zwischenwelt. Sie schritten über Mauerwerk, alte Steinblöcke. Es war eine schmale Brücke ohne Geländer. Hinter ihnen lag das längliche Rechteck des Spiegels, durch den sie gekommen waren, etwa fünfzig Meter entfernt der nächste. Unter ihnen und zu beiden Seiten herrschte Dunkelheit.
»Manchmal ziehen sie sich so auseinander«, erklärte Julia. »Pass bloß auf, dass du nicht das Gleichgewicht verlierst.«
»Was ist denn da unten? Unter der Brücke?«
»Trolle.«
Schwer zu sagen, ob sie einen Witz machte.
Sie kamen in einem dunklen Raum heraus, einem Lager voller Kartons. Sie hatten kaum Platz, sich aus dem Spiegel zu zwängen. Es roch lecker nach Kaffeebohnen. Keiner war da, um sie zu begrüßen.
Der Kaffeeduft wurde intensiver, als sie eine Tür fanden, sie öffneten und in eine überfüllte Restaurantküche gerieten. Ein Koch raunzte sie auf Italienisch an, ihm nicht im Weg zu stehen. Sie drängten sich an ihm vorbei, vorsichtig, um sich nirgendwo zu verbrennen, und gelangten in den Speiseraum eines Bistros.
Sie schlängelten sich zwischen den Tischen hindurch und traten hinaus auf einen weitläufigen Platz. Ein malerischer Ort, geprägt von verschlafenen Steinbauten undefinierbaren Alters.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, wir wären in Fillory«, sagte Quentin. »Oder in den Nirgendlanden.«
»Wir sind in Italien. Genauer gesagt, in Venedig.«
»Ich möchte eine Tasse von diesem Kaffee. Warum sind wir in Venedig?«
»Erst Kaffee.«
Helles Sonnenlicht auf Pflastersteinen. Scharen von Touristen, die stehen blieben, ihre Stadtführer konsultierten und von der Vielfalt überwältigt und gelangweilt zugleich wirkten. Zwei Kirchen blickten auf den Platz; die anderen Gebäude waren ein bunter venezianischer Mischmasch von alten Steinen, altem Holz und schiefen Fenstern. Quentin und Julia gingen hinüber zu dem anderen Café am Platz, in dessen Küche sie nicht soeben magisch hereingeschneit waren.
Es war eine Oase leuchtend gelber Sonnenschirme. Quentin fühlte sich, als würde er schweben. Noch nie zuvor hatte er an einem einzigen Tag so viele Portale durchquert. Er war ein wenig desorientiert. Sie hatten bereits bestellt, als ihnen bewusst wurde, dass sie keine Euros besaßen.
»Scheißegal«, sagte Quentin. »Heute Morgen, vielleicht auch gestern, bin ich noch in Fillory aufgewacht. Ich brauche dringend einen Macchiato. Warum sind wir in Venedig?«
»Warren hat mir eine Adresse gegeben. Von jemandem, der uns möglicherweise helfen kann – eine Art Mittelsmann. Er kann alles Mögliche besorgen, vielleicht sogar einen Knopf.«
»Das ist also der Plan. Gut. Gefällt mir.« Er war zu allem bereit, solange Kaffee darin vorkam.
»Wunderbar. Danach können wir deinen tollen Plan ausprobieren, den du nicht hast.«
Schweigend schlürften sie ihren Kaffee. Quentin starrte verträumt in die chaotische Oberfläche seines Macchiatos. Es war kein Blatt aus geschäumter Milch darauf gezeichnet, wie es in Amerika üblich war. Tauben marschierten zwischen den Cafétischen herum und pickten unglaublich verdreckte Krumen auf. Ihre krallenbewehrten Füße sahen aus der Nähe wund und rosa aus. Sonnenstrahlen überfluteten die ganze Szenerie. Das Licht in Venedig war genau wie das Licht in Fillory: zart marmorfarben.
Die Welt hatte sich schon wieder verändert. Sie war nicht so säuberlich aufgeteilt wie in Quentins Erinnerung, das Magische auf der einen, das Nichtmagische auf der anderen Seite. Es gab jetzt dieses schäbige, anarchische Zwischending. Er mochte es nicht besonders; es war chaotisch und unglamourös, und er kannte die Regeln nicht. Wahrscheinlich mochte Julia es ebenso wenig, dachte er bei sich, aber sie hatte keine Wahl gehabt, im Gegensatz zu ihm.
Nun, seine Welt hatte ihnen nicht viel genützt. Sie würden eine Weile die ihre erkunden.
»Wer ist eigentlich dieser Warren?«, fragte Quentin. »Mir kam es so vor, als hättet ihr euch näher gekannt.«
»Warren ist ein Niemand. Er kann ein bisschen hexen, deshalb treibt er
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