Fillory - Die Zauberer
musste: Ein armer, unglücklicher Junge verliebte sich in sie.
Sie erwiderte seine Liebe nicht, denn sie sparte ihre ganze Liebe für Professor Sexyman auf. Aber ihr Verehrer tat ihr gut, denn bisher hatte sich noch nie jemand in sie verliebt. Sie wickelte ihn ein, flirtete ganz offen mit ihm und hoffte, damit das Objekt ihrer Begierde eifersüchtig zu machen.
Und jetzt kommen wir zu dem dritten Punkt in unserem kleinen Liebesdreieck. Normalerweise hätte der Professor Emilys Verführungsversuchen gegenüber absolut unzugänglich sein sollen. Er hätte im Aufenthaltsraum der Abschlussklasse onkelhaft darüber schmunzeln und die ganze Sache vergessen sollen. Sie war ja nicht mal besonders attraktiv. Aber vielleicht steckte er in einer Midlife-Crisis, vielleicht glaubte er, eine Affäre mit Fräulein Greenstreet brächte ihm etwas von seiner längst verschwundenen Jugend zurück, wer weiß. Er war sogar verheiratet, dieser Idiot.
Na ja, wir werden nie erfahren, was genau geschehen ist und wie weit es ging, außer, dass die Sache außer Kontrolle geriet. Jedenfalls kam Professor Sexyman irgendwann zur Besinnung oder hatte alles bekommen, was er wollte, und machte Schluss.
Ich brauche euch nicht zu erzählen, dass unsere Emily anschließend noch gruftiger und weinerlicher wurde, so dass sie bald wie eine Gorey-Zeichnung aussah. Im Gegenzug wurde ihr Verehrer noch vernarrter in sie. Er brachte ihr Geschenke und Blumen und versuchte, sie zu beruhigen und zu unterstützen.
Vielleicht habt ihr es schon gewusst, keine Ahnung, ich wusste es jedenfalls nicht, aber der Wolf war früher anders als die anderen Brunnen. Aus dem Grund haben sich die Doomer da auch versammelt. Auf den ersten Blick merkte man nicht, was das Besondere an ihm war, aber nach einer Weile fiel einem auf, dass man beim Hineinschauen nicht sein eigenes Spiegelbild, sondern nur leeren Himmel sah. Und wenn der Himmel gerade bedeckt war, war er im Brunnen vielleicht blau, oder umgekehrt. Jedenfalls war es definitiv keine normale Spiegelung. Ab und zu blickten, wenn man hineinsah, andere Gesichter zu einem auf, ganz verwirrt, als schauten sie in einen anderen Brunnen an einem anderen Ort und staunten, weil sie ein anderes Gesicht sahen anstatt ihr eigenes. Irgendjemand musste herausgefunden haben, wie man die Spiegelungen zweier Brunnen vertauscht. Aber wer das getan hat, warum und wie, und warum der Dekan den Wechsel nicht rückgängig gemacht hat, weiß ich wirklich nicht.
Man muss sich auch fragen, ob außer den vertauschten Reflexionen nicht noch mehr dahintersteckte – ob man in den einen Brunnen springen und im anderen wieder herauskommen konnte, in dieser oder in einer anderen Welt. Die Brunnen haben sowieso schon immer etwas Rätselhaftes an sich gehabt. Wusstet ihr, dass sie schon da waren, bevor es Brakebills gab? Die Schule wurde absichtlich in ihrer Nähe erbaut, nicht umgekehrt. So sagt man jedenfalls.«
Eliot schnaubte.
»So wird eben geredet, Schätzchen. Jedenfalls«, fuhr Janet fort, »verbrachte Emily immer mehr Zeit an dem Brunnen. Sie rauchte und saß herum und grübelte wohl über ihre kurze Affäre nach. Sie verbrachte dort so viel Zeit, dass sie nach und nach eines der Gesichter im Brunnen wiedererkannte. Eine junge Frau wie sie, die ebenfalls sehr viel Zeit an dem anderen Brunnen verbrachte. Nennen wir sie Doris. Nach einer Weile nahmen Emily und Doris Notiz voneinander. Sie sahen sich an, winkten sich kurz zu, ihr wisst schon, reine Höflichkeit. Vielleicht war Doris auch ein bisschen trübsinnig. Allmählich fühlten sie sich wie verwandte Seelen.
Emily und Doris fanden einen Weg, miteinander zu kommunizieren. Wiederum sind die Details unserem unerschrockenen Berichterstatter entgangen. Vielleicht haben sie Schrifttafeln hochgehalten, was weiß ich, auf jeden Fall müssen sie in Spiegelschrift gewesen sein, wenn man sie als Reflexionen lesen wollte, oder irre ich mich da?
Keine Ahnung, wie die Dinge in Wolfland liefen, dort, wo sich Doris aufhielt, vielleicht funktioniert Magie dort anders. Vielleicht hat sich Doris mit unserer Emily auch einen Scherz erlaubt oder hatte einfach keine Lust mehr, sich ihr liebeskrankes Geheule anzuhören. Vielleicht war auch etwas faul an der Geschichte mit Doris, vielleicht war mit ihr etwas abgrundtief Böses im Spiel. Jedenfalls wies Doris eines Tages darauf hin, es könne womöglich an Emilys Aussehen liegen, dass ihr Geliebter nichts mehr von ihr wissen wolle. Emily solle doch daran etwas
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