Fillory - Die Zauberer
aussah, als sei er aus den Balken des Original-Kreuzes gemacht, hübsch lackiert und mit authentischen Eisennägeln zusammengefügt. Große Exponate moderner Kunst in der Farbe und Textur getrockneten Blutes zierten die Wände.
»Q!«, riefen die anderen.
»Wo ist Alice?«
»War kurz hier und ist wieder weg«, antwortete Josh. »Was ist denn? Habt ihr euch gestritten oder was?«
Er boxte zwei Mal in die Luft. Offenbar wusste er nicht, was vorgefallen war. Anaïs, die neben ihm saß, tat so, als verpasse sie ihm einen Schmetterhaken auf sein stoppeliges Kinn. Wieder waren alle betrunken, genau wie am Abend zuvor, genau wie an jedem Abend. Nichts hatte sich geändert.
»Im Ernst«, sagte Janet. »Hast du das Veilchen ihr zu verdanken? Armer Q, du kriegst wohl immer einen in die Fresse.«
Sie verhielt sich so aufgekratzt und giftig wie immer, aber ihre Augen waren gerötet. Quentin fragte sich, ob sie die Katastrophe von letzter Nacht wirklich so unbeschadet überstanden hatte, wie er geglaubt hatte.
»Das waren Ember und Umber, die magischen Widder«, sagte er. »Hat Alice euch das nicht erzählt? Sie haben mich für meine Sünden gestraft.«
»Echt?«, fragte Josh. »Und, hast du sie in ihre Wollhintern getreten?«
»Nein, ich habe die andere Wange hingehalten.« Quentin war nicht nach Reden zumute, aber er hatte Hunger. Er holte sich einen Teller aus der Küche, setzte sich ans andere Tischende und nahm sich von den Resten.
»Wir haben gerade darüber nachgedacht, was wir als Nächstes tun«, erklärte Richard. »Wir waren dabei, eine Aktionsliste aufzustellen.«
»Richtig!« Josh schlug autoritär auf den schweren Tisch. »Wer hat eine Idee? Lasst uns alles Brauchbare sammeln.«
»Proviant«, sagte Richard, ohne eine Miene zu verziehen. »Und wenn wir wirklich nach Fillory reisen, müssen wir alle Bücher noch einmal lesen.«
»Gold«, fiel Anaïs scherzhaft ein. »Und Tauschwaren. Was könnten die Bewohner von Fillory begehren? Zigaretten?«
»Wir fahren doch nicht in die alten Ostblockländer, Anaïs. Stahl vielleicht?«
»Schießpulver?«
»Mein Gott«, seufzte Eliot. »Ich solltet euch mal hören. Ich möchte nicht als derjenige in die Annalen eingehen, der das Gewehr nach Fillory brachte.«
»Wie sollten Mäntel mitnehmen«, erwiderte Richard. »Zelte. Eine Ausrüstung, die vor Kälte schützt. Wir wissen schließlich nicht, welche Jahreszeit dort gerade herrscht. Wir könnten im tiefsten Winter ankommen.«
Tags zuvor – jedenfalls vor Quentins Schläfchen – schien es, als würde Fillory alles gutmachen. Jetzt war es schwer, sich darauf zu konzentrieren: Erneut wirkte es wie ein Traum. Jetzt und hier zählte hauptsächlich das Schlamassel mit Janet und Alice. Das zog alles andere herunter.
Mit Mühe riss er sich zusammen.
»Was meint ihr, wie lange wir dort bleiben werden?«
»Ein paar Tage? Wir können ja auch einfach zurückkehren, wenn wir etwas vergessen haben«, antwortete Eliot. »Mit dem Knopf geht es kinderleicht. Wir bleiben einfach so lange da, bis es langweilig wird.«
»Was wollen wir anfangen, wenn wir dort sind?«
»Ich vermute, dass man uns vor eine Aufgabe stellt, die wir erfüllen müssen«, antwortete Penny. »So ist es jedenfalls den Chatwins immer ergangen.«
Alle drehten die Köpfe. Penny stand in T-Shirt und Trainingshose in der Tür, blinzelnd wie eine Eule, als sei auch er gerade erst aufgewacht.
»Ich weiß nicht, ob wir uns darauf verlassen sollten, Penny.« Aus irgendeinem Grund ärgerte sich Quentin darüber, wie blauäugig und optimistisch Penny an die ganze Sache heranging. »Schließlich haben uns die Widder nicht gerufen. Vielleicht ist es nicht mal so wie in den Büchern. Vielleicht hat es die Aufgaben nie gegeben. Es könnte doch sein, dass Plover das nur der Romanhandlung wegen erfunden hat. Wer weiß, ob wir in Fillory nicht genauso rumhängen wie hier.«
»Jetzt sei doch kein Spielverderber«, warf Josh ein, »nur weil deine Freundin dich verprügelt hat.«
Penny schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Plover von ganz allein auf all das gekommen ist. Das wäre nicht logisch. Er war ein schwuler Textilreinigungs-Magnat mit einer praktischen Ausbildung zum Chemiker. Er besaß nicht einen Funken Kreativität. Nein, auf keinen Fall. Denkt an Ockhams Rasiermesser – die einfachste Theorie ist immer die beste. Viel wahrscheinlicher ist, dass er alles genauso aufgeschrieben hat, wie es passiert ist.«
»Wie stellst du dir das
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