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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Auf Pennys Drängen hin setzten sie sich in einem großen Kreis auf den Teppich im Wohnzimmer und webten die Schutzzauber um das Apartment neu, an Ort und Stelle, alle gemeinsam. Richards Hang zur Autorität, der den Umgang mit ihm oft schwer erträglich machte, erwies sich jetzt als praktisch. Er lenkte den Gruppenzauber in einer effizienten, routinierten Art und Weise, wie ein erfahrener Dirigent, der ein Kammerorchester durch eine schwierige Bartók-Passage führt.
    Es dauerte zwanzig Minuten, den Zauber zu vollenden, und noch einmal zehn, um einige komplizierte zusätzliche Verteidigungs- und Tarnschichten hinzuzufügen – eine Vorsichtsmaßnahme angesichts des intensiven Interesses, das der Knopf offenbar im magischen Gesamt-Ökosystem auf sich zog. Als sie fertig waren und alles doppelt und dreifach überprüft hatten, legte sich Stille über den Raum. Alle saßen reglos da und ließen das Ausmaß dessen, was mit ihnen geschah, auf sich wirken. Josh erhob sich unauffällig, ging in die Küche und bereitete belegte Brote zum Mittagessen zu. Eliot riss ein Fenster auf und zündete sich eine Zigarette an. Janet musterte Quentin mit kühlem Amüsement.
    Quentin legte sich rücklings auf den Teppich und starrte hinauf zur Decke. Er brauchte Schlaf, aber das war nicht der richtige Zeitpunkt zum Schlafen. Heftige Gefühle brandeten auf und konkurrierten darum, Besitz von seinem Verstand zu ergreifen, wie gegnerische Armeen, die immer wieder ein und denselben Hügel eroberten: Aufregung, Reue, bange Erwartung, Trauer, Zorn. Er versuchte, sich auf Fillory zu konzentrieren und das gute Gefühl wieder heraufzubeschwören. Von jetzt an würde sich alles verändern. Ja, sein Universum hatte sich gerade um ein Millionenfaches erweitert, aber Fillory war der Schlüssel zu allem. Dieses schleichende, vergiftende Gefühl der Bedeutungslosigkeit, das sein Denken schon seit der Zeit vor dem Schulabschluss überschattet hatte, war auf einen wirksamen Gegenzauber gestoßen. Alice war sich dessen noch nicht bewusst, aber das würde schon noch kommen. Das war es, worauf sie gewartet hatten. Das war es, was Alice’ Eltern nie gefunden hatten. Unwillkürlich verzog sich sein Gesicht zu einer freudlos grinsenden Grimasse und die Jahre fielen von ihm ab wie Schichten alter Haut. Vergeudete Jahre waren es nicht direkt, nein, das konnte er wirklich nicht behaupten, aber in all der Zeit hatte er gespürt, dass er trotz seiner erstaunlichen Gaben nie jene Gabe erhalten hatte, die er sich wirklich gewünscht hatte. Immer nur gerade genug, um über die Runden zu kommen. Gewiss. Aber dies hier, das bedeutete ihm alles. Jetzt hatte die Gegenwart einen Sinn, die Zukunft hatte einen Sinn und sogar die Vergangenheit besaß eine Bedeutung. Im Rückblick erschien ihr ganzes Leben sinnvoll. Jetzt wussten sie, wozu das alles gut gewesen war.
    Wenn es nur nicht ausgerechnet jetzt geschehen wäre! Wenn Penny doch nur einen Tag früher aufgekreuzt wäre! Scheiß Penny. Alles war in die Brüche gegangen und dann in so kurzer Zeit wieder vollkommen ausgeglichen worden, dass er nicht wusste, welcher Zustand letztendlich galt. Wenn man es aber genau betrachtete, ging es bei dem, was zwischen ihm und Janet vorgefallen war, gar nicht um ihn und Janet, ja, nicht einmal um ihn und Alice. Es war lediglich ein Symptom der kranken, leeren Welt, in der sie alle gemeinsam gefangen waren. Doch jetzt besaßen sie die geeignete Medizin. Die kranke Welt würde bald geheilt werden.
    Die anderen blieben auf dem Boden sitzen, an die Couch gelehnt, auf die Ellbogen gestützt. Immer wieder sahen sie sich an und brachen in ungläubiges Gekicher aus. Als wären sie bekifft. Quentin fragte sich, ob sie dasselbe fühlten wie er. Ja, auch für sie war es das, worauf sie gewartet hatten, ohne es zu wissen. Das Eine, das sie vor der Langeweile, den Depressionen und der hohlen Geschäftigkeit rettete, diesen Gespenstern, die sie seit dem Schulabschluss mit ihrer stinkenden Alkoholfahne verfolgten. Jetzt war es da, und keinen Moment zu früh. So wie bisher konnten sie nicht weitermachen, und das brauchten sie nun auch nicht mehr.
    Es war Eliot, der schließlich die Sache in die Hand nahm. Fast schien er wieder der Alte zu sein. Sie checkten ihre Terminkalender. Niemand hatte etwas Wichtiges vor, jedenfalls nichts vergleichbar Wichtiges, nichts, das nicht verschoben, geschwänzt oder ganz profan übergangen werden konnte. Er klatschte in die Hände und erteilte Befehle und alle

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