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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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geregelt wäre. Sie würden sich keine Sorgen machen. Doch da war Quentin schon an einem Punkt angekommen, an dem ihn nicht einmal mehr das kümmerte. Er wollte nur noch schlafen.
    Er ließ zu, dass sie ihn unzählige Treppen halb hinaufführte, halb trug, bis sie schließlich in ein kleines, ordentliches Zimmer gelangten. Darin stand ein sehr, sehr weiches Bett mit Daunendecke und kühlen weißen Bezügen. Er legte sich mitsamt seinen Schuhen hinein. Ms. Van der Weghe zog sie ihm aus. Er fühlte sich wie ein kleines Kind, dem man noch die Schuhe aufschnüren musste. Sie deckte ihn zu, und er schlief schon, bevor sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Am nächsten Tag dauerte es eine ganze Weile, bis er wieder wusste, wo er war. Er lag im Bett und fügte nach und nach die Puzzlesteine seiner Erinnerungen an den gestrigen Tag zusammen. Heute war Freitag, und eigentlich sollte er in der Schule sein. Stattdessen erwachte er in einem fremden Schlafzimmer, noch in der Kleidung von gestern. Er hatte ein schlechtes Gewissen und schämte sich, als hätte er auf einer Party bei entfernten Bekannten zu viel getrunken und sei dann in einem Zimmer der Gastgeber eingeschlafen. Er hatte sogar das Gefühl, einen leichten Kater zu haben.
    Was genau war gestern Abend passiert? Was hatte er getan? Seine Erinnerungen waren ganz durcheinander, wie ein Traum – sie konnten nichts anderes sein –, aber sie fühlten sich nicht an wie ein Traum. Dieser Raum war auch kein Traum. Draußen krächzte laut eine Krähe und verstummte dann plötzlich, wie beschämt. Ansonsten war alles still.
    Vom Bett aus sah er sich das Zimmer genauer an. Die Wände waren leicht gerundet, als bildeten sie den Abschnitt eines Kreises. Die Außenwand bestand aus Stein, die Innenwand war mit dunklen Holzschränken und Kämmerchen ausgekleidet. Es gab einen viktorianisch anmutenden Schreibtisch und einen Frisiertisch mit Spiegel. Sein Bett war in eine holzverkleidete Nische geschoben. In die Außenwand waren mehrere schmale hohe Fenster eingelassen. Er musste zugeben, dass es ein sehr schöner Raum war. Bis jetzt hatte er nicht das Gefühl, dass ihm Gefahr drohte. Vielleicht war alles gar nicht so katastrophal. Jedenfalls wurde es Zeit, aufzustehen. Zeit, ein- für allemal herauszufinden, was hier eigentlich los war.
    Er stand auf und tappte zu einem der Fenster. Der Steinfußboden unter seinen Füßen fühlte sich kühl an. Es war noch früh am Morgen und es war diesig draußen. Er befand sich hoch oben, höher als die Wipfel der höchsten Bäume. Er hatte zehn Stunden lang geschlafen. Er blickte hinunter auf den grünen Rasen. Er war still und leer. Dann sah er die Krähe, die unterhalb von ihm auf glänzenden, schwarzblauen Schwingen vorbeischwebte.
     
    Eine Nachricht auf dem Tisch ließ ihn wissen, dass er mit Dekan Fogg frühstücken würde, sobald es ihm genehm sei. Quentin entdeckte ein Stockwerk tiefer einen Gemeinschaftswaschraum mit kleinen Duschkabinen und ausladenden Waschbecken, dazu Stapel von sauber gefalteten, kratzigen Internatshandtüchern. Er ging unter die Dusche. Das Wasser sprudelte in einem heißen, starken Strahl aus dem Duschkopf, und er ließ es genüsslich an sich herunterlaufen, bis er sich sauber und innerlich ruhiger fühlte. Er musste dringend pinkeln, und als er seine Blase entleerte, beobachtete er, wie säuregelber Urin spiralförmig den Abfluss hinunterlief. Es fühlte sich extrem seltsam an, nicht in der Schule zu sein, sondern irgendwo anders, an einem dubiosen Ort, ein Abenteuer zu erleben. Es fühlte sich gut an. Ein mentales Messinstrument in seinem Kopf versuchte den Grad des Schadens zu bestimmen, den seine Abwesenheit zu Hause in Brooklyn anrichtete, aber bisher schien er sich in akzeptablen Grenzen zu halten. Er richtete sich so präsentabel wie möglich her in seinem seit gestern getragenen, im Bett zerknautschten Bewerbungsanzug und ging hinunter.
    Nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Zwar hatte Quentin nicht gerade mit einem förmlichen Empfang gerechnet, aber er musste erst zwanzig Minuten lang durch leere Flure, Aufenthaltsräume und hinaus auf verschiedene Terrassen wandern, bis der Butler, der ihnen gestern die Sandwichs serviert hatte, ihn endlich fand und ihn zum Büro des Dekans brachte, das überraschend klein war und hauptsächlich von einem Präsidentenschreibtisch mit den Ausmaßen eines Panzers eingenommen wurde. Entlang der Wände waren Bücher und antik aussehende Messinginstrumente

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