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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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später würde er sich an das Gefühl beim Hineinstechen erinnern. Wie sich die Klinge durch die zähen, gummiartigen Muskeln des Zwerchfells gebohrt hatte und dann in die darunter liegenden Schichten eingedrungen war und wie die Muskeln die Klinge zäh umschlossen hatten, nachdem es drinsteckte. Er ließ den Griff los, als sei er elektrisch geladen.
    Quentin registrierte, wie erst Josh, dann Eliot ihre Schultern nach vorn krümmten und ihre Kakodämonen freiließen. Der von Eliot sah besonders eindrucksvoll aus. Er trug von Kopf bis Fuß schwarzgelbe Warnquerstreifen. Er schlidderte seitlich über den glatten Tisch, zappelnd wie eine weggeschleuderte Katze, und stürzte sich mit todesverachtender Munterkeit ins Kampfgetümmel. Er krallte und riss, hüpfte und krallte wieder. »Verdammte Scheiße!«, brüllte Janet. »Was noch? Was denn noch?«
    »Scheiße!«, schrie Eliot heiser. »Raus hier! Sucht euch eine Seitentür und nichts wie weg!«
    Ein Moment bedrohlicher Stille trat ein, als spürten einige der Wesen, was als Nächstes geschehen würde. Dann bäumte sich der Fußboden auf und ein Riese aus rotglühendem Eisen drängte sich mit den Schultern seitwärts durch die Wand.
    Er riss dabei die ganze Wand ein. Ein herumfliegender Ziegelstein traf Fen am Kopf und sie stürzte nieder, als sei sie erschossen worden. Von dem Riesen gingen Hitzewellen aus, die die Luft rings um ihn zum Flimmern brachten. Alles, was er berührte, verbrannte. Er stand vornübergebeugt da, die Hände auf dem Boden – er war um etwa ein Drittel zu groß für den engen Raum des Bankettsaales. Seine Augen bestanden aus geschmolzenem Gold und besaßen keine Pupillen. Staub füllte die Luft. Der Riese setzte seinen Fuß auf Fens ausgestreckte Leiche und sie ging in Flammen auf.
    Alle rannten weg. Wer fiel, wurde niedergetrampelt. Die Hitze, die von der glatten Haut des Mannes ausging, war unerträglich. Quentin hätte alles darum gegeben, Abstand zwischen sich und den Riesen zu bekommen. Die nächsten Ausgänge waren durch Massenstürze versperrt. Quentin drängte sich an den Gefallenen vorbei und rannte weiter den Saal entlang. Er sah sich nach Alice um und konnte nicht mal ein menschliches Wesen entdecken, bis er einen weiteren Blick zurück riskierte und Josh mitten im Gang stehen sah, ganz allein.
    Er schien eine seiner unheimlichen Machtaufwallungen zu erleben. Er hatte eines seiner kleinen Schwarzen Löcher heraufbeschworen, genau wie an jenem Tag am Rande des Welters-Spielfeldes. Damals hätte es beinahe einen Baum verschluckt. Jetzt sah Quentin zu, wie ein ganzer wandlanger Gobelin herbeiflatterte und komplett hineinfloss. Als er von seiner Gardinenstange abriss, klang es wie Gewehrschüsse. Das Licht im Speisesaal wurde schwächer und färbte sich bernsteinfarben. Der rote Riese ließ sich für einen Moment von dem Phänomen ablenken. Er hockte sich hin und musterte die Erscheinung, offensichtlich fasziniert davon. Er war kahl und sein Gesicht ausdruckslos. Sein riesiger, rotglühender Schwanz und seine Eier schwangen locker zwischen seinen Oberschenkeln hin und her wie ein Klöppel.
    Dann war Quentin allein und rannte einen kühlen, dunklen Seitenkorridor entlang. Es war still – als hätte man bei einem Fernseher den Ton abgeschaltet. Er sprintete mit voller Kraft los, verfiel dann in einen leichten Trab und marschierte schließlich nur noch. Es war vorbei. Er konnte nicht mehr rennen. Die Luft brannte in seinen Lungen. Er beugte sich nach vorn und legte die Hände auf die Knie. Sein Rücken juckte schmerzlich, in Höhe des rechten Schulterblatts, und als er nach hinten reichte, um sich zu kratzen, entdeckte er einen Pfeil, der aus dem verdickten Muskel an dieser Stelle hinunterhing. Ohne nachzudenken, zog er ihn heraus. Blut quoll aus der Wunde und lief ihm den Rücken hinunter, aber es tat nicht sehr weh. Die Spitze war nur zwei Zentimeter tief eingedrungen, vielleicht sogar weniger. Fast war er froh, dass es wehtat. Der Schmerz war etwas, an dem er sich festklammern konnte. Er hielt den hölzernen Schaft fest umschlossen, dankbar, etwas Solides in den Händen zu haben. Die Stille war erstaunlich.
    Er war wieder in Sicherheit. Einige Minuten lang erlaubte er sich, in den einfachen Freuden zu schwelgen, kühle Luft einzuatmen, nicht zu rennen, im Halbdunkel allein zu sein und nicht direkt mit dem Tod bedroht zu werden. Doch allmählich wurde ihm der Ernst der Lage wieder bewusst, nach und nach, bis er ihn nicht länger

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