Fillory - Die Zauberer
nicht«, meldete sich Janet zu Wort. »Quentin hat recht. Ihr seid der Gott dieser Welt. Jedenfalls einer von zweien. Macht Euch das nicht im Grunde allmächtig?«
»Es gibt Höhere Gesetze, die deinen Verstand übersteigen, Tochter. Die Macht, Ordnung zu schaffen, ist das eine. Die Macht zu zerstören, das andere. Normalerweise halten sich beide im Gleichgewicht. Doch es ist einfacher, zu zerstören als zu erschaffen, und es gibt solche, in deren Natur es liegt, die Zerstörung zu lieben.«
»Schon, aber warum solltet Ihr etwas erschaffen, das die Macht besitzt, Euch zu zerstören? Oder irgendeines Eurer Geschöpfe? Warum helft Ihr uns nicht? Habt Ihr eine Vorstellung davon, wie schlecht es uns geht? Wie wir leiden?«
Ein strafender Blick. »Ich weiß alles, Tochter.«
»Nun, dann will ich Euch mal was sagen.« Janet stemmte die Hände in die Hüften. Sie war ganz unerwartet auf eine Mine der Bitterkeit in sich gestoßen und war jetzt nicht mehr zu bremsen. »Wir Menschen sind die ganze Zeit unglücklich. Wir hassen uns selbst, wir hassen einander und manchmal wünschten wir, Ihr oder wer auch immer hätte diese scheiß beschissene Welt oder irgendeine andere scheiß beschissene Welt niemals erschaffen. Versteht Ihr das? Das nächste Mal verzichtet Ihr vielleicht lieber darauf, Eure Aufgabe dermaßen stümperhaft zu erledigen.«
Betretenes Schweigen folgte ihrem Ausbruch. Die Flammen der Fackeln leckten an den Wänden hoch. Sie hinterließen schwarze Rußstreifen bis hinauf an die Kuppeldecke. Janet hatte völlig recht und Quentin wurde langsam wütend. Aber irgendetwas an der Sache machte ihn auch nervös.
»Du bist aufgebracht, Tochter.« Embers Augen waren voller Zuneigung.
»Ich bin nicht Eure Tochter.« Janet verschränkte die Arme. »Und ich bin tatsächlich ziemlich aufgebracht.«
Der alte Widder seufzte tief. Eine Träne quoll in seinem großen feuchten Auge auf, schwappte über und wurde von der goldenen Wolle auf seiner Wange absorbiert. Unwillkürlich wurde Quentin an eine Werbefigur erinnert, einen stolzen Indianer in alten Anti-Müll-Kampagnen. Josh lehnte sich über Quentins Schulter und flüsterte: » Mann! Sie hat Ember zum Weinen gebracht!«
»Die Flut des Bösen hat den Höhepunkt erreicht«, sagte der Widder, wie ein Politiker, der unablässig seine Botschaft verkündet. »Doch nun, wo ihr gekommen seid, wird das Blatt sich wenden.«
Doch das würde es nicht. Plötzlich war sich Quentin ganz sicher. Er erkannte es in einem einzigen, Übelkeit erregenden Moment.
»Ihr seid gegen Euren Willen hier«, sagte er. »Ihr seid hier gefangen. Stimmt’s?«
Es war noch nicht vorbei.
»Mensch, es gibt so vieles, was du nicht verstehst. Du bist noch ein Kind.«
Quentin ignorierte ihn. »Das ist der Grund, richtig? Deswegen seid Ihr hier unten? Jemand hat Euch hergebracht und Ihr könnt nicht raus. Es ging gar nicht um die Suche nach der Krone, sondern um eine Rettungsmission!«
Alice, die neben ihm stand, hatte die Hände vor den Mund geschlagen.
»Wo ist Umber?«, fragte sie. »Wo ist Euer Bruder?«
Niemand rührte sich. Das lange Gesicht und die schwarzen Lippen des Widders waren noch immer ausdruckslos.
»Hmmm.« Ember rieb sich das Kinn. Langsam schätzte er die Lage ein. »Vielleicht hast du recht.«
»Umber ist tot, nicht wahr?«, fragte Alice niedergeschlagen. »Das hier ist kein Grab, sondern ein Gefängnis.«
»Menschenkinder, hört mich an«, sagte Ember. »Es gibt Gesetze, die Eurer Urteilsvermögen weit übersteigen. Wir …«
»Ich habe jetzt so ziemlich genug über mein Urteilsvermögen gehört!«, fauchte Janet.
»Aber wer hat das getan?« Eliot starrte hinunter auf den Sand und dachte fieberhaft nach. »Wer hätte überhaupt die Macht, Ember so etwas anzutun? Und aus welchem Grund? Vielleicht war es die Wächterin, aber das alles ist sehr merkwürdig.«
Quentin spürte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Er sah in die dunklen Ecken der Höhle, in der sie sich befanden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das erschien, was Embers Bein gebrochen hatte, und sie wieder kämpfen müssten. Quentin wusste nicht, ob er noch einen weiteren Kampf überstehen konnte. Penny lag immer noch auf den Knien, aber sein Nacken war karmesinrot, als er zu Ember aufblickte.
»Vielleicht wird es Zeit für den guten alten Panikknopf«, sagte Josh. »Zurück in die Nirgendlande.«
»Ich habe eine bessere Idee«, erwiderte Quentin.
Sie mussten die Kontrolle über die Situation
Weitere Kostenlose Bücher