Fillory - Die Zauberer
derart besänftigen, dass er vergaß, was sie getan hatte. »Ich bin eine Hexe, keine Göttin. Wie oft habe ich es nicht versucht! Wie viele Zeitschienen bin ich nicht entlanggereist! Wie viele andere habe ich nicht ausgesandt, um Martin zu bekämpfen! Zwing mich bitte nicht, dir einen Vortrag über die praktischen Aspekte der chronologischen Manipulation zu halten, Quentin. Ändere eine Variable, und du änderst sie alle. Glaubst du, du seist der Erste gewesen, der Martin in dieser Höhle gegenübergestanden hat? Glaubst du, es sei das erste Mal gewesen, dass du ihm gegenüber gestanden hast? Der Kampf wurde wieder und wieder ausgetragen. Ich habe so viele verschiedene Möglichkeiten ausprobiert. Immer mussten alle sterben. Und jedes Mal habe ich die Uhr zurückgedreht.
So schlimm es war, so schlimm es ist: Das ist bei weitem der beste Ausgang, den ich je erzielt habe. Niemand konnte ihn je aufhalten außer du und deine Freunde, Quentin. Ihr wart die Einzigen. Und ich bleibe dabei. Ich kann es nicht riskieren, alles wieder zu verlieren, was wir gewonnen haben.«
Quentin verschränkte die Arme. Muskeln zuckten in seinem Rücken. Er zitterte buchstäblich vor Wut. »Na schön. Dann gehen wir eben zurück bis ganz an den Anfang, noch vor Die Welt in den Wänden. Halten Sie ihn auf, bevor alles beginnt. Finden Sie eine Zeitschiene, auf der er gar nicht erst nach Fillory gelangt.«
»Das habe ich doch versucht, Quentin! Ich habe es versucht!« Sie flehte ihn regelrecht an. »Aber er schafft es immer! Tausend Mal habe ich es versucht. Es gibt keine Variante des Lebens, in der er es nicht schafft.
Ich bin müde. Ich weiß, du hast Alice verloren. Ich habe meinen Bruder verloren. Ich bin es müde, das Monstrum zu bekämpfen, das einmal Martin war.«
Plötzlich sah sie sehr erschöpft aus und ihre Augen schauten ins Leere, als blicke sie in eine andere Welt, eine, in die sie niemals gelangen konnte. Das machte es ihm schwer, seine hoch auflodernde Wut am Brennen zu halten. Sie verrauchte so schnell, wie er sie anfachte.
Doch es war noch nicht vorbei. Er sprang, aber sie hatte es kommen sehen. Vielleicht hatten sie diese Szene schon einmal durchgespielt, auf einer anderen Zeitschiene, oder vielleicht war er auch einfach leicht zu durchschauen. Noch bevor er das Zimmer zur Hälfte durchquert hatte, wirbelte sie auf dem Absatz herum und warf die silberne Uhr mit aller Kraft an die Wand.
Ihre Kraft reichte aus. Die Wand bestand aus Stein, und die Uhr zerplatzte wie eine überreife Frucht. Sie klirrte wie ein Sack voller Münzen. Die zarte Kristallabdeckung zersprang, und winzige Zahnräder und Schräubchen kullerten über den Boden wie die Perlen einer zerrissenen Kette.
Jane wandte sich herausfordernd zu ihm um. Sie keuchte. Quentin starrte hinunter auf die Überreste des zerbrochenen Zeitmessers.
»Es ist genug«, sagt sie. »Das muss ein Ende haben. Es wird Zeit, mit dem zu leben, was uns bleibt, und das zu betrauern, was wir verloren haben. Ich wünschte, ich hätte dir mehr erzählen können, bevor es zu spät war, aber ich brauchte dich zu sehr, als dass ich dir die Wahrheit hätte anvertrauen können.«
In einer seltsamen Geste legte sie ihm die Hände auf die Wangen, zog sein Gesicht zu sich herunter und küsste ihn auf die Stirn. Das Zimmer war jetzt fast dunkel. Die Tür knarrte im stillen Frühlingsabend, als sie sie öffnete.
»Versuche, Martin nicht zu streng zu verurteilen«, sagte sie von der Schwelle aus. »Plover piesackte ihn, wann immer er ihn allein erwischte. Ich glaube, das war der eigentliche Grund, weshalb er überhaupt nach Fillory gelangt ist. Warum hätte er sich sonst in einer Standuhr verkriechen sollen? Er hat ein Versteck gesucht.«
Damit verschwand sie.
Quentin folgte ihr nicht. Lange starrte er die leere Türöffnung an. Als er hinging, um die Tür zu schließen, knirschten Teile der zerbrochenen Uhr unter seinen Füßen.
Es ging immer weiter abwärts. War er jetzt endlich unten am Boden angelangt? Im letzten schwindenden Licht blickte er hinunter auf das Notizbuch auf dem harten Zentaurenbett. Zwischen den Seiten lag ein Zettel, derselbe, den der Wind ihm entrissen hatte, als er ihn zum ersten Mal lesen wollte. Aber alles, was darauf stand, war:
ÜBERRASCHUNG !
Er setzte sich wieder hin. Letztendlich waren er und Alice nur Statisten gewesen, Nebendarsteller, die das Pech gehabt hatten, sich in eine Schlachtenszene zu verirren. Ein Bruder und eine Schwester, die in ihrem
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