Fillory - Die Zauberer
Krawatten auszusuchen. Ich bin in dieser Hinsicht ziemlich nachsichtig, aber Sie sollten meine Gutmütigkeit nicht auf die Probe stellen. Alles zu Auffällige wird konfisziert, und Sie werden gezwungen, die Schulkrawatte zu tragen. Ich verstehe ja nicht viel davon, aber so wie man mir sagt, soll sie scheußlich altmodisch sein.«
Bei der Rückkehr in sein Zimmer fand Quentin einen Schrank voll mit identischen Jacketts, dunkelblau mit fingerbreiten, schokoladenbraunen Streifen, kombiniert mit weißen Hemden. Die meisten sahen brandneu aus, nur wenige glänzten ein wenig abgewetzt an den Ellbogen, waren etwas dünn an den Manschetten und rochen schwach, aber nicht unangenehm nach Mottenkugeln, Tabak und ehemaligen Bewohnern. Langsam und bewusst zog er sich um und sah sich im Spiegel an. Er wusste, dass er eigentlich die Uniform verabscheuen müsste, aber sie gefiel ihm außerordentlich gut. Wenn er sich bis jetzt noch nicht wie ein Zauberer fühlte, so könnte er doch wenigstens aussehen wie einer. Jedes Jackett trug ein aufgesticktes Wappen: eine goldene Biene und ein goldener Schlüssel vor einem schwarzen, mit silbernen Sternen besetzten Hintergrund. Später erfuhr er von den anderen Studenten, dass das Wappen Schlüssel und Biene hieß, und als er danach Ausschau hielt, sah er es überall, eingearbeitet in Teppiche und Vorhänge, eingraviert in Steinschwellen und geschnitzt in den Ecken des Fußbodenparketts.
Jetzt saß Quentin in einem großen, quadratischen Vorlesungssaal, einem Eckraum mit hohen Fenstern zu beiden Seiten. Elegante Holztische waren in vier schräg angeordneten Rängen wie zu einer Art Amphitheater aufgereiht. Von dort aus blickte man auf eine große Tafel und einen massiven steinernen Demonstrationstisch, der über und über mit Brandspuren, Kratzern und Macken bedeckt war. Kreidestaubteilchen schwebten in der Luft. In der Vorlesung saßen zwanzig Studenten, alle in Collegeuniform, alle von außen betrachtet ganz normale Teenager, die sich die größte Mühe gaben, cooler und intelligenter auszusehen als ihre Kommilitonen. Quentin wusste, dass die meisten zu den Gewinnern bedeutender Talentwettbewerbe in Wissenschaft und Wirtschaft zählten. Er hatte gehört, dass einer von ihnen zweiter beim Putnam-Mathematik-Wettbewerb geworden war, und zwar in der elften Klasse. Eines der Mädchen hatte es geschafft, die Plenarsitzung der nationalen Modell-UN zu übernehmen und einen Antrag durchzubringen, Atomwaffen zu verbieten, um eine besonders bedrohte Meeresschildkrötenart zu schützen. Als Repräsentantin Lesothos, wohlbemerkt.
Zwar spielte das alles hier keine Rolle mehr, aber dennoch lag fiebrige Nervosität in der Luft. Während er dort saß, in seinem neu riechenden Hemd und Jackett, wünschte sich Quentin jetzt schon, wieder mit Eliot auf dem Fluss zu sein.
Professor March legte eine Pause ein und richtete den Blick auf das Publikum.
»Quentin Coldwater, würden Sie bitte nach vorne kommen? Warum zeigen Sie uns nicht ein wenig von Ihrer Zauberei?«
March sah ihn direkt an.
»Ja. Sie«, wiederholte er freundlich und enthusiastisch, als wollte er Quentin einen Preis überreichen. »Kommen Sie zu mir.« Er zeigte auf eine Stelle an seiner Seite. »Hier haben Sie ein Requisit.«
Professor March wühlte in seinen Hosentaschen und holte eine durchsichtige, irgendwie fusselige Glasmurmel heraus. Er legte sie auf den Tisch, wo sie ein Stück weit rollte, bis sie eine Vertiefung fand, in der sie liegen blieb.
Im Saal herrschte absolute Stille. Quentin wusste, dass das kein richtiger Test war, sondern ein Ritual, um gleich zu Anfang des Semesters die Ahnungslosigkeit eines Neuen zu demonstrieren und ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Alle Jahre wieder – keine Sorge, nur ein weitere, amüsante alte Brakebills-Tradition. Dennoch fühlten sich seine Beine an wie Holzstelzen, als er die breiten Stufen hinunterstieg und vor die Klasse trat. Seine Kommilitonen starrten ihn mit der kalten Gleichgültigkeit der gnädig Davongekommenen an.
Er nahm seinen Platz neben March ein. Die Murmel sah ganz gewöhnlich aus, aus Glas mit einigen Luftblasen darin. Sie war ungefähr so groß wie ein Fünfcentstück. Und wahrscheinlich genauso leicht in der Hand verschwinden zu lassen. Bestimmt konnte er sie leicht in die Manschetten und Ärmel seines neuen Schuljacketts wandern lassen. Na gut, dachte er, die wollen Zaubertricks sehen? Sollen sie haben. Das Blut pochte ihm in den Ohren, als er die Murmel
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