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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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abwechselnd aus beiden Händen, aus dem Mund, aus der Nase zauberte. Er wurde mit gelegentlichem Kichern aus den Reihen seiner Kommilitonen belohnt.
    Die Spannung ließ nach und er fing an, herumzukaspern. Er warf die Murmel hoch in die Luft, fast bis hinauf zur hohen Gewölbedecke, lehnte sich nach vorn und fing sie geschickt in der Höhlung seines Nackens wieder auf. Jemand schlug mit der flachen Hand auf den Rand eines Pults. Alle lachten.
    Als großes Finale gab Quentin vor, die Murmel mit einem dicken Briefbeschwerer zu zerquetschen, indem er sie im letzten Moment durch ein weißes Pfefferminzbonbon ersetzte, das er zufällig in der Tasche hatte und das schön laut knirschte und einen sehr überzeugenden weißen Pulvernebel hinterließ. Er zwinkerte dem Publikum übertrieben zu, entschuldigte sich überschwänglich bei Professor March und bat ihn um sein Taschentuch. Als March danach griff, fand er die Murmel in seiner eigenen Jackentasche wieder.
    Quentin führte einen Johnny-Carson-Golfschlag vor. Die Erstsemester applaudierten frenetisch. Er verbeugte sich. Nicht schlecht, dachte er. Das Semester war kaum eine halbe Stunde alt, schon hatte er es zu einer Art Volksheld gebracht.
    »Danke, Quentin«, sagte Professor March salbungsvoll und applaudierte mit den Fingerspitzen. »Danke, das war sehr aufschlussreich. Sie können an Ihren Platz zurückkehren. Alice, was ist mit Ihnen? Warum zeigen Sie uns nicht ein wenig Zauberei?«
    Diese Aufforderung war an ein kleines, ernstes junges Mädchen gerichtet, das sich in der hintersten Reihe zusammenkauerte. Sie wirkte nicht weiter erstaunt darüber, ausgewählt worden zu sein. Überhaupt sah sie so aus, als befürchte sie grundsätzlich das Schlimmste. Warum sollte es heute anders sein? Sie stieg die breiten Stufen bis zu Professor March hinunter, die Augen geradeaus, gefasst auf dem Weg zum Galgen, wobei sie sich in ihrer steifen neuen Uniform furchtbar unbehaglich zu fühlen schien. Wortlos nahm sie ihre Murmel von Professor March an. Sie stellte sich hinter das Steinpult, das ihr bis zur Brust reichte, und ließ ihre Murmel auf der Platte ausrollen.
    Ohne zu zögern vollführte sie eine Reihe von geübten, sparsamen Bewegungen über der Murmel. Es sah aus wie eine Zeichensprache oder als spiele sie ein Abnehmespiel mit unsichtbaren Fäden. Ihr sachliches Vorgehen stand in krassem Gegensatz zu Quentins schwungvoller, angeberischer Darbietung. Alice starrte die Murmel eindringlich und erwartungsvoll an. Sie schielte ein wenig. Ihre Lippen bewegten sich, aber Quentin konnte von seinem Platz aus keinen Laut hören.
    Die Murmel begann, rötlich zu glühen, dann weiß. Sie wurde milchig, wie ein Auge mit grauem Star. Eine dünne graue Rauchfahne schlängelte sich von der Stelle, an der das Glas den Stein berührte, in die Luft. Quentins Gefühl selbstgefälligen Triumphs wurde kalt und starr. Sie kann schon richtig zaubern, dachte er. Mein Gott, bin ich weit zurück!
    Alice rieb sich die Hände.
    »Es dauert einen Moment, bis meine Finger unempfindlich werden«, erklärte sie.
    Vorsichtig, als hole sie ein heißes Gefäß aus dem Ofen, zupfte Alice mit den Fingerspitzen an der Glasmurmel. Das Material war jetzt an seinem Schmelzpunkt angelangt und ließ sich ziehen wie weicher Karamell. Mit vier schnellen, sicheren Bewegungen gab Alice der Murmel vier Beine und fügte dann einen Kopf hinzu. Als sie ihre Hände wegzog und darüberblies, rollte sich die Murmel weg, schüttelte sich einmal und stand auf. Sie war zu einem winzigen, rundlichen Glastier geworden. Es begann, über den Tisch zu laufen.
    Diesmal applaudierte keiner. Eine spürbare Kälte lag im Raum. Quentins Unterarmhaare hatten sich aufgerichtet. Das einzige hörbare Geräusch war das leise Tick-Tick-katickkatick der spitzen Glasfüße auf der steinernen Tischoberfläche.
    »Danke, Alice!«, sagte Professor March und erklomm wieder das Podium. »Für diejenigen unter Ihnen, die es interessiert: Alice hat gerade drei Grundzauber durchgeführt.« Er hob einen Finger für jeden. »Dempseys Stille Thermogenesis, eine kleine Cavalieri-Animation und eine Art Schutzzauber, der selbstgemacht zu sein scheint und den wir daher vielleicht nach Ihnen benennen sollten, Alice.«
    Alice erwiderte ungerührt Marchs Blick, als warte sie nur auf eine Aufforderung, wieder an ihren Platz zurückkehren zu dürfen. Sie war nicht einmal blasiert, sondern einfach nur voller Sehnsucht, endlich entlassen zu werden. Die kleine vergessene

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