Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
Negative
— endete dieses grandiose Kapitel Musikgeschichte am 14. April 2010. Ich habe tagelang Rotz und Wasser geheult.
Ich gehe aufs Klo und unterhalte mich traurig mit Phil, dem ortsansässigen Silberfisch. Phil ist schweigsam, wie Fische nun mal so sind. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung. Flink flüchtete er in eine leere Klorolle. Ich fühlte mich wie ein Forscher, Auge in Auge mit einer neuen Spezies. Silberfischchen waren mir aus dem gepflegten mütterlichen Haushalt gänzlich unbekannt. Zu Anfang war Phil sehr scheu, dann wurde er immer zutraulicher.
Sein schlechtes Image als Schädling ist meiner Meinung nach Quatsch: Dank seiner Hautschuppen-, Milben- und Schimmeldiät entlastet er mich und meine Putzfrau.
Zu einem Altbau in Sachsenhausen gehören eigentlich auch Mäuse, aber die habe ich abgeschafft. Politisch korrekt, wie ich eben bin, nicht mit Totfallen. Vater und Mutter Maus samt Kind und Kegel wurden in einer garantiert grausamkeitsfreien Lebendfalle gefangen. Wollte sie dann einfach irgendwo in der Pampa wieder rauslassen, wurde aber durch eine
Google
-Recherche davon abgehalten: In der Nähe ausgesetzte Mäuse seien wie Bumerangs, sagt der Experte. Um die putzigen kleinen Nager davon abzuhalten, sich postwendend wieder bei mir einzunisten, musste ich mir etwas einfallen lassen. Also ging ich mit ihnen zum Südbahnhof und setzte die ganze Familie in die S3 nach Darmstadt. Darmstadt sollte reichen, dachte ich mir.
Ebenfalls überwunden habe ich den Befall meiner Wohnung durch das gefährlichste Insekt Europas: die Pharaoameise. Die ist klein und braun, aber nichts zum Kuscheln. Dafür überträgt sie gerne Streptokokken und Staphylokokken und was weiß ich noch für Kokken. Und Salmonellen. In Krankenhäusern kriecht sie unter Verbände, nascht dort Blut und Eiter und infiziert Wunden.
Kurzum: Ein richtiges Herzchen.
Noch schlimmer: Pharaoameisen mampfen Computer und höhlen sie von innen aus. Gerne auch meinen. Ruckzuck waren die Schutzgele der Stromkabel abgenagt. Systemabstürze waren die Folge — und ich kann froh sein, dass mir nicht die ganze Butze abgefackelt ist.
Frankfurts renommiertester Kammerjäger krempelte mir meine Bude um und sagte freundlicherweise keinen Pieps zu dem Haufen Gras, den er unter dem Bett gefunden haben muss. Schätze, seine Köderdosen haben den Viechern den Garaus gemacht. Oder meine Venusfliegenfalle hat alle verfrühstückt. Habe jedenfalls schon lange keine mehr gesichtet und vermisse sie auch kaum.
Übrigens: Neben exotischer Flora und Fauna gönne ich mir einen weiteren Luxus in meiner Wohnung — bin ich doch stolzer Besitzer von zwei Geschirrspülmaschinen! Unheimlich praktisch, so muss ich nie mehr Geschirr ausräumen und spare viel Platz in den Küchenschränken.
Das Schloss meiner Wohnungstür dreht sich, ich fahre herum. Kiffen macht schrecklich schreckhaft. Meine Putzfrau streckt ihren runden Kopf mit der Nana-Mouskouri-Frisur in meinen Flur, die hatte ich total vergessen. Während ich das Gras und die Pilzcreme verschwinden lasse, fühle mich wieder ein bisschen wie 15.
„Muss buuutze dahiiieeer!“
Ich gehe ihr lieber aus dem Weg.
Kiffen macht zwar ängstlich und paranoid, aber auf gewisse Weise auch realistisch. Wenn ich bekifft Zukunftspläne mache, fallen diese vorsichtiger und weniger größenwahnsinnig aus als in nüchternem Zustand. Vom alkoholisierten Zustand ganz zu schweigen …
Oder Autofahren: Betrunken kann das schnell Tote geben. Bekifft eher kilometerlange Schlangen hinter einem, die sich über schneckenartige Geschwindigkeit und übervorsichtige Fahrweise hupend beschweren …
Zappe im Fernsehprogramm herum.
Swept Away
mit Madonna — schade, den kenne ich bereits auswendig.
Karate Tiger 3
— ebenfalls eine wunderschöne Trash-Perle. Jean-Claude van Damme rächt darin seinen Bruder, der zuvor von einem schlimmen Finger zu Rollstuhl-Mus gekloppt wurde.
Frohlocken statt Depressionen ist nun angesagt, es läuft meine Lieblingsszene: Bestandteil des von Meister
Xian
geleiteten Trainings ist das Zerhacken einer Palme — mit dem Schienbein, versteht sich. Von Schmerzen zermürbt bricht die
belgische Beule
, wie ich van Damme liebevoll nenne, die Trainingseinheit ab. Auch die Anwesenheit der schönen Tochter des Meisters, mit der hin und wieder heimlich gefummelt wird, kann ihn nicht weiter motivieren.
„Die Palme hat gewonnen“,
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