Filmriss
fröhlich, seine Zähne blitzen weiß auf im Feuerschein. »Das klingt ja, als wären wir hundert Jahre alt.«
Wir kichern. Frieda legt ein riesiges Stück Holz nach, das zischt, sich aber nicht entzündet. Doch dann beißt sich eine Flamme daran fest und frisst es Stück für Stück. Gebannt schauen wir zu und sagen nichts. Es knattert wie ein kleines Feuerwerk, Funken springen auf und fliegen davon.
»Die Weltumseglung«, meint Marlon ruhig, »war keine Spinnerei. Jedenfalls nicht für mich. Sobald ich mit der Schule fertig bin, kappe ich die Leinen. Die Star Search wartet nur drauf. Ich kann spüren, wie ungeduldig sie ist.« Dann lacht er wieder und legt ein paar trockene Äste nach.
Die Flammen schießen hoch und werfen ausgelassen Schatten und Lichtflecken auf unsere Gesichter: Orange, Rot, Blau, Gelb, Violett und Schwarz, beinahe alle Farben kommen vor.
»Und jeder von euch, der will«, Marlon schaut von einem zum anderen, »kann mitkommen.«
Auch wenn ich genau weiß, dass vor allem Frieda und ich niemals zusammen eine solche Reise machen werden, glaube ich ihm in diesem Moment.
Nur in diesem Moment am Strand ist unsere Rivalität unwichtig. Auf einmal scheint alles möglich. In dieser Nacht gibt es ein unsichtbares Band, das uns vier miteinander verbindet.
Leise fängt Marlon zu singen an, seine Stimme klingt ganz sanft, dabei aber fest und voll. Ich könnte ihm ewig zuhören.
11
Friedas Tagebuch
Freitags ist Karsten fast immer dabei, den werden wir irgendwie nicht mehr los. Manchmal schauen auch Typen aus den umliegenden Käffern vorbei, Bekannte von Marlon und Benny. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass wir die Bude rocken lassen.
An der Schule hab ich keine richtige Freundin. Die sind alle Typ Spießertussen mit Kohle-Eltern, die sich auch noch was drauf einbilden. Die meiste Zeit lassen die mich wenigstens in Ruhe. Die Einzige, die mich immer nervt, ist Carina. Die konnte mich vom ersten Moment an nicht leiden. Sie ist die Nichte des Schulleiters und lässt das bei jeder Gelegenheit raushängen. Ich glaube, sie sieht mich als Konkurrenz. Und nicht mal zu Unrecht. Sie war immerhin die Hübscheste in der Klass e – bis ich aufgetaucht bin. Carina sieht zwar wirklich nicht übel aus: lange blonde Haare, auch nicht grad so fett wie viele andere in der Klasse. Bloß hat sie überhaupt keine Ahnung von Klamotten oder vom Schminken.
»Oh, aus Berlin«, flötete sie gleich am ersten Tag, als ich mich der Klasse vorstellen sollte. »Ein echtes Hauptstadtkind, wow!«
Natürlich hab ich sofort gecheckt, dass das ironisch sein sollte.
»Ost oder West?«
Auf diese blöde Frage hab ich erst gar nicht geantwortet, sondern bin einfach weiter zu meinem Platz. Schließlich lasse ich mich nicht von jeder Schlampe provozieren, wär ja noch schöner!
Das war unsere erste Begegnung. Inzwischen ist noch die Sache mit dem Musical dazugekommen.
»Ich hab schon eine Idee, wie ich die Jane interpretiere«, meinte Carina letzte Woche zu Tanja, ihrer besten und einzigen Freundin. Ich hab zufällig mitgehört, als ich auf dem Klo war und die beiden in den Spiegel glotzten.
»Oh ja«, schleimte Tanja. »Erzähl doch mal.«
In diesem Moment tauchte ich auf und stellte mich zwischen die beiden.
»Genau«, säuselte ich, »erzähl doch mal! Aber pass auf, dass du dich nicht ver-interpretierst.«
Die beiden erstarrten vor Schreck.
»Wenn ich nämlich so in diesen zerkratzten Spiegel blicke, sehe ich nur eine Jane.«
»Ich auch«, meinte Carina dümmlich.
Den Kommentar hab ich einfach ignoriert. »Und ihr werdet es nicht glauben, es ist genau die gleiche Jane, die ich sehe, wenn ich bei mir zu Hause in den Spiegel schaue.« Damit drehte ich mich auf dem Absatz um und ließ die beiden einfach stehen.
»Als Jane braucht man übrigens nicht so mit dem Arsch zu wackeln«, rief mir Carina noch hinterher.
Wenn Karsten bei uns abhängt, ist immer was zu schlucken da. Neben Bier auch Gin, Wodka und so’n Zeug. Er ist ja über achtzehn und kommt problemlos an solche Sachen ran, außerdem hat er das nötige Kleingeld. Deshalb ist Karsten fast schon gern gesehen, obwohl ich auf ihn als Person ganz gut verzichten könnte.
Wenn er denkt, ich kriege es nicht mit, glotzt er mich immer so komisch an. Aber irgendwie kann ich den Typ nicht ernst nehmen. Wir reden auch fast nie miteinander, er spricht nur mit den Jungs. Manchmal kommt es mir fast so vor, als ob er Schiss vor mir hätte, das ist schon seltsam. Wahrscheinlich
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