Filmriss
Taka-Tuka-Land.«
Ein Fernglas haben wir heute nicht dabei, also bleibt die Frage offen. Trotzdem fühlt es sich genau so an wie damals, als wir noch Kinder waren. Wir liegen im Sand und schicken unsere Gedanken auf die Reise.
Den ganzen Tag hat die Sonne geschienen und jetzt geht sie in unseren Rücken langsam unter. Aus dem Meer steigt ein blasser Vollmond, der aussieht, als hätte er ein Gesicht. Es war tagsüber nicht besonders warm, der Sommer ist lange vorbei.
Jetzt wird es langsam kalt. Ich wünsche mir, dass Marlon mich in den Arm nimmt und wärmt, meine Jeansjacke ist viel zu dünn und ich friere.
Als es anfängt, ungemütlich zu werden, steht Marlon plötzlich auf. Ohne ein Wort zu sagen, zieht er seine Jacke aus und guckt von einem zum anderen.
Frieda grinst. »Wow! Striptease?«
Er lässt die Jacke in den Sand fallen und streift den Pullover über den Kopf.
»Ist doch viel zu kalt zum Baden«, sage ich.
Jetzt steht aber auch Benny auf und beginnt, seine Klamotten abzustreifen.
Marlon lächelt mich an. »Wenn man erst mal im Wasser ist, ist es überhaupt nicht mehr kalt.«
»Das ist im Sommer so«, sage ich. »Aber jetzt?«
»Im Wannsee«, mischt sich Frieda ein, »waren wir sogar mal an Heiligabend baden. Kein Quatsch.«
Noch während sie redet, steht sie auf und überholt Marlon glatt in der Ausziehgeschwindigkeit. Auch Benny ist jetzt so weit. Die beiden gehen zaudernd zum Wasser und tauchen die großen Zehen hinein.
»Das muss echt das Polarmeer sein!«, ruft Benny. »Hilfe!« Dann rennt er los und lässt sich in die Wellen fallen. Frieda folgt vergleichsweise langsam.
»Kommst du denn nicht mit?«, fragt Marlon mich leise.
»Nee, ist mir echt zu kalt.«
»Na komm! Wenn du erst drin bist, ist es toll. Und danach frierst du auch nicht mehr. Das ist das beste Rezept gegen Kälte.« Er hält mir die Hand hin und nach einer kurzen Weile nehme ich sie. Vorsichtig zieht er mich hoch. Er hat überall Gänsehaut.
»Nun geh schon«, sage ich lachend. »Ich komm nach.«
Aber er bleibt stehen, sein Gesicht bewegt sich auf meines zu, jeder hält den Blick des andern, dann küssen wir uns. Ich spüre seine kalte Haut.
»Ich geh aber nicht ohne dich«, flüstert er.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Frieda, die bis zur Hüfte im Wasser steht und uns beobachtet. Dann lässt sie sich in die Wellen fallen.
»Aber nur, wenn du vorgehst. Du erfrierst sonst hier draußen.«
»Okay!« Marlon rennt lachend los und ruft mir zu: »Aber wehe, du brichst dein Wort!«
»Ich halte immer Wort«, sag ich so leise, dass nur ich es höre. »Darauf kannst du dich verlassen.«
Friedas Tagebuch
Nach dem Schwimmen haben wir Treibholz gesammelt, Äste und so’n Zeug. Es hat etwas gedauert, bis wir ein Feuer in Gang gebracht hatten, aber Marlon hat es dann schließlich doch geschafft. Dann bat ich Marlon noch mit meinem Spezialaugenaufschlag, seine Gitarre aus der Hütte zu holen, und er stiefelte tatsächlich sofort los! Das fand ich gut.
Die Flammen schlugen ungefähr einen Meter hoch, rot, gelb und orange, der Himmel über uns war inzwischen schwarz, der Mond hinter den Wolken verschwunden.
Zum allerersten Mal nach dem Umzug habe ich mich hier richtig gut gefühlt. In Berlin haben wir nie ein Lagerfeuer gemacht. So schön Gitarre spielen wie Marlon kann sowieso keiner. Die Story von Heiligabend und dem Wannsee war natürlich Quatsch. So geile Sachen gab’s da gar nicht.
Obwohl er sich angekündigt hatte, kam Karsten nicht mehr vorbei. Ich fand das erst doof, weil wir deshalb nichts zu trinken hatten. Er ist ja sozusagen unser Getränkelieferant. Und ich fand, ein bisschen Bier hätte der Stimmung keinen Abbruch getan. Aber eigentlich war’s auch so echt chilli g …
Wir rücken alle so nah wie möglich ans Feuer. Ein halber Meter mehr und wir würden verglühen. So aber ist es einfach nur schön warm. Das brennende Holz knistert, hinter uns rauschen die Wellen. Marlon improvisiert ein paar Takte, die Feuer und Wasser, Knistern und Rauschen miteinander verbinden. Ich würde mich gerne an ihn kuscheln, aber ich will die Stimmung nicht kaputt machen. Zwischen uns vieren gibt es an diesem Abend ein unsichtbares Gleichgewicht. Jeder von uns sitzt da für sich und doch sind wir eine Einheit. So wie früher. Auch Frieda gehört jetzt zu uns, als wäre es nie anders gewesen.
»Wisst ihr noch«, sagt Benny, »wie wir früher hier am Strand waren und rumgesponnen haben? Weltumseglung und s o …«
Marlon lacht
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