Filmriss
ist er total verklemmt.
Er fährt abends oder nachts immer noch mit dem Auto nach Hause. Wenn ihn die Bullen nur ein Mal erwischen, ist sein Lappen garantiert futsch. Mysteriöserweise schafft er es immer, heil nach Hause zu kommen. Vielleicht säuft er selbst gar nicht so viel, wie es scheint. Gestern hat er sogar versucht den Laden ein bisschen aufzumischen. Und das war eigentlich ganz lustig.
»Kennt ihr Bier-Bongo?«, fragt Karsten.
»Na klar«, meint Benny. »oder hältst du uns für blöd?«
»Und? Wie funktioniert das?«
»Keine Ahnung.«
Alle lachen.
Karsten ärgert sich. »Das glaub ich dir aufs Wort«, sagt er. »Bier-Bongo ist Trichtersaufen. Auch noch nie gehört, oder?«
Jetzt ist er an dem Punkt, an dem er mal wieder seine allseits beliebte Nummer abziehen kann: Ich bin der große Schlaumeier und ihr habt von nichts ’ne Ahnung. Das Dumme ist, dass er in diesem Fall auch noch Recht hat. Vom Trichtersaufen haben wir alle keine Ahnung. Jeder hat vielleicht mal davon gehört, aber keiner weiß, wie es funktioniert. Karsten grinst breit, hält sich für den ganz großen Macher.
»Kommt mit raus, dann zeig ich es euch.«
»Oh, Kassi weiß was!«, ruft Frieda. »Na, dann aber mal alle zügig hinterher. Das kommt so schnell garantiert nicht wieder vor!«
Dann aber bleibt sie als Einzige in der Hütte. Ich will eigentlich auch nicht mit, aber als Marlon geht, folge ich ihm, Benny sowieso. Als wir aus der Tür treten, grinst Frieda überlegen.
Karstens Auto, ein riesiger alter Ford, steht direkt vor der Tür. So nah fährt er sonst nicht ran. Ist auch blöd, denn so kann man schon vom Deich aus sehen, dass jemand in der Hütte ist.
Er macht den Kofferraum auf und holt eine Kiste Bier mit großen Flaschen raus, die er Benny in die Hand drückt.
Karsten macht ein bedeutungsschwangeres Gesicht, während er einen Trichter hervorzaubert, über dessen Ausguss ein langes Stück durchsichtiger Gartenschlauch gestülpt ist.
»Den Schlauch hab ich zu Hause drübergezogen«, erklärt er uns. »Ist gar nicht so einfach, obwohl ich nicht ungeübt darin bin.«
Als keiner lacht, redet er weiter: »Ich hab das Schlauchende mit einem Föhn so lange heiß gemacht, bis es ganz weich war. Sonst geht es nicht über den Trichterhals. Der Schlauch muss bombenfest sitzen, sonst läuft was raus und der Druck ist nicht groß genug.«
»Geil«, sagt Benny fast verzückt, schaut aber sofort peinlich berührt weg.
Wir gehen zur alten Holzbank hinter der Hütte. Es weht ein eisiger Wind, und ich mache schnell meine Jacke zu, sonst kann man es hier draußen kaum aushalten. Die Jungs tun natürlich, als spürten sie die Kälte nicht.
Karsten nimmt den Trichter in die Linke und greift sich mit der Rechten eine Flasche. Er öffnet sie mit den Zähnen und schüttet das Bier in den Trichter. Dabei entsteht unglaublich viel Schaum.
»Halt mal!«, ruft er Marlon zu. »Und dann steig auf die Bank.«
»Hab’s gecheckt«, meint Marlon, als er oben steht und den Trichter hochhält.
»Das Bier darf nicht zu warm sein und nicht zu kalt.« Karsten doziert wie ein Schwachmatentrainer. Er fühlt sich sauwohl in seiner Rolle. So viel Aufmerksamkeit bekommt er selten von Marlon. »Wenn’s zu kalt ist, kriegst du saumäßige Bauchschmerzen. Wenn’s zu warm ist, musst du schnell kotzen.«
Er kniet sich vor die Bank. Es sieht fast aus, als wollte er Marlon anbeten. Unten am Schlauch ist so ein Aufsatzstück, das hält er sich an die Lippen. Dann atmet er noch mal kräftig durch, wie ein Taucher vorm Runtergehen. Er konzentriert sich angestrengt, steckt den Aufsatz in den Mund und dreht auf.
Was dann passiert, hab ich mir so nicht vorgestellt: Es dauert nur ein paar Sekunden, bis Schlauch und Trichter komplett leer sind. Das ist gut zu sehen, weil beide Teile durchsichtig sind. Danach verschwindet auch der Schaum.
Klar, wo alles abgeblieben ist. Ich finde das einfach nur bescheuert, schon bei der bloßen Vorstellung wird mir stockschlecht.
Karsten wischt sich die Lippen, als habe er was besonders Köstliches getrunken. In seinem Bauch ist jede Menge Bier, das steht fest, und in seinen Augen jede Menge Wasser. Er rülpst. Absolut widerlich.
»Wer will jetzt?« Triumphierend blickt er in die Runde. »Das heißt, falls sich jemand traut.«
Die Frage ist überflüssig. Natürlich kann nur einer der Nächste sein. Trotzdem macht Benny einen entschlossenen Schritt nach vorne. Er sieht aus wie einer, der bereit ist, sich für andere zu
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