Filmriss
mein Schädel. Ich hab keine Ahnung, wo ich bin oder wie spät es ist.
Es dauert, bis mir klar wird, dass früher Morgen ist und ich in meinem Bett liege. Mein Magen ist eine Betonmischmaschine, das Weltall explodiert. Ich hab einen ekelhaften Geschmack im Mund. Das Zimmer dreht sich. Das ist der Anfang vom Ende, ganz sicher.
Langsam und leise geht die Tür auf. Das kann nur mein Vater sein. Ich stelle mich schlafend und höre, dass er die Tür weiter öffnet, sie quietscht. Er kommt rein, stellt sich neben mein Bett. Ich spüre seinen Blick auf meinem Gesicht ruhen. Keine Ahnung, ob er merkt, dass ich nicht schlafe. Jedenfalls tut er so, als ob er mir die Show abnähme. Er nimmt den vollgekotzten Eimer und schleicht zurück zur Tür.
»Wenn du so weit bist«, sagt er plötzlich, »kannst du runterkommen.«
Als er draußen ist, laufen mir wieder Tränen aus den Augen, die ich nicht zurückhalten kann. Zuerst nur ein paar, aber dann immer mehr. Ich weiß nicht genau, warum ich flenne, aber ganz sicher nicht nur, weil mir so kotzübel ist.
Ich bleibe liegen, bewege nicht mal den kleinen Finger. Ich glaube, ich kann das auch gar nicht, ich bin wie gelähmt. Aber die Tränen laufen weiter, das Kissen ist schon klitschnass. Dabei kommt es mir vor, dass selbst die Tränen nach Schnaps stinken. Ich will einfach sterben, sterben und sonst nichts. Oder wenn das schon nicht klappt, dann wenigstens schlafe n … unendlich lange schlafen ... und einfach nicht mehr wach werden.
Werd ich aber, und zwar zwischendurch immer wieder, ohne dabei auf die Uhr zu gucken. Manchmal glaube ich schon, dass es mir ein bisschen besser geht, aber dann fängt alles wieder von vorne an: Presslufthammer, Betonmischer, Weltallexplosione n – das volle Programm. Ich würde mich gern noch mal übergeben, weil ich hoffe, dass es mir dann besser geht. Aber nicht mal das funktioniert.
Als ich mich das erste Mal traue, einen Blick auf die Uhr zu werfen, ist es halb vier. Wahrscheinlich nachmittags. Ich muss zum Klo und ziehe mich vorher an. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, mein Kopf dröhnt noch immer wie wahnsinnig. In meinem Mund ist es trockener als in der Sahara.
Es gibt nur eins auf der Welt, das ich genau weiß: Falls ich das hier überleben sollte, werd ich keinen einzigen Tropfen Alkohol mehr anrühren, was auch immer passiert. Und ganz egal, wie alt ich noch werde: So bescheuert bin ich bestimmt nicht wieder. Nie wieder!
Ich sitze in der Küche, mein Vater macht mir Rührei. Die Strafpredigt habe ich gerade hinter mir, aber so richtig aufnahmefähig bin ich noch nicht, in keiner Beziehung. Allein bei dem Gedanken, irgendwas zu essen, dreht sich mir auf der Stelle erneut der Magen um. Doch mein Vater lässt sich nicht beirren.
»Hier.« Er hält mir ein großes Glas Wasser hin. »Trink das. Flüssigkeit ist jetzt das Allerwichtigste.«
Auf der einen Seite hab ich wahnsinnigen Durst, auf der anderen könnte ich schon beim Anblick von Wasser gleich wieder losreiern. Aber mein Vater ist unerbittlich und hält mir das Glas weiter hin.
»Na los«, sagt er sanft. »Du brauchst das jetzt, auch wenn du es selbst nicht merkst. Dein Körper braucht es, Alkohol trocknet einen völlig aus. Glaub mir. Wie bei einem leeren Wassertank, der gefüllt werden muss, damit es weitergehen kann.«
Ich sehe die Kohlensäure im Glas nach oben sprudeln. Das sieht irgendwie erfrischend aus und ich greife zu. Aber ich kann einfach nicht trinken.
»Du musst!«, beharrt mein Vater.
Ich mache die Augen zu und setze an. Ein paar Kohlensäurebläschen perlen gegen meine Oberlippe und zerplatzen daran, ich presse die Lider so fest zusammen wie möglich, rote und schwarze Kreise fliegen vor meinen geschlossenen Augen. Dann trinke ich. So lange, bis das Glas leer ist. Gleich danach springe ich auf und wetze los zur Toilette. Ich schaff es nicht mehr gan z …
Ich bin mehr tot als lebendig. Auch wenn die beiden Kopfschmerztabletten, die mein Vater mir verpasst hat, langsam zu wirken anfangen. So langsam wie eine Schnecke, die am Fenster hochkriecht.
»Nimm beide«, hat er gesagt, in der einen Hand die Tabletten, in der anderen das nächste Glas Wasser. »Eine alleine wird nicht reichen.«
Diesmal ist sogar alles dringeblieben, das Wasser und die ekelhaft bitteren Tabletten. Vielleicht geht es doch langsam bergauf mit mir. Dran geglaubt hab ich schon nicht mehr. Der Presslufthammer in meinem Schädel fährt ein paar Minimalstufen zurück, was immerhin ein
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