Filmriss
meint Karsten. »Heute sind wir in meinem.«
Friedas Tagebuch
Karsten kutschierte uns zu der Werkstatt, in der er arbeitet. Die Musik im Auto war irrsinnig laut. Hier hatte er endlich seine geliebten Toten Hosen , konnte ihm ja keiner verbieten.
»Und, Kassi?« Ich nahm mir ganz lässig den Zigarettenanzünder und steckte mir eine an. »Was hast du hier so vor?« Eine Hand legte ich auf sein Knie. Er ist richtig zusammengezuckt, als hätte er sich verbrannt. »Ich schau jedenfalls nur zu.« Dann lehnte ich mich zurück und nahm erst jetzt meine Hand wieder von seinem Bein. »Heute ist Kinotag, bin gespannt, was läuft, was du uns zu bieten hast, Kassi. Du hast die Hauptrolle und alle Nebenrollen dazu.«
Er stieg auch tatsächlich aus. Marlon rief ihm noch mal hinterher, dass er es besser lassen solle. Aber das hat der schon nicht mehr gehört. Marlon wollte ihm nach, aber das ging nicht so schnell, weil er hinten saß. Außerdem war er auch ziemlich besoffen. Und wie jeder weiß, geht dann nicht mehr alles so, wie man will.
»Na, da staunt ihr, was?«
»Heiße Kiste«, sage ich. »Wo hast du die denn jetzt her?«
»Bist du bescheuert?« Marlon scheint bei dem Anblick wieder etwas nüchterner zu werden. »Bring ihn sofort zurück. Wenn dein Chef das mitkriegt, fliegst du. Und zwar achtkantig.«
»Immer mit der Ruhe.« Karsten grinst siegesgewiss, ist plötzlich obenauf. Die Niederlage, die Frieda ihm verpassen wollte, hat sich in einen Triumph verwandelt, denn selbst seine Feindin ist sichtlich beeindruckt.
»Was ist das denn für einer?«, fragt sie.
»Ein Jaguar«, sagt Marlon. »Das seh sogar ich und ich hab nicht gerade besonders viel Ahnung von Autos.«
»Und ich hatte höchstpersönlich die Ehre«, sagt Karsten, »das gute Stück heute Nachmittag fit zu machen. Ist jemandem auf der Durchreise verreckt. Ziemlich cooler Typ. Musikmanager. Wartet jetzt im Hotel.«
»Und morgen Früh holt er seinen Wagen natürlich wieder ab«, sagt Marlon. »Bring die Kiste zurück, Mann. Das ist doch völlig bescheuert. Du verlierst deinen Job, ich sag’s dir. Und so schnell findest du nicht wieder einen. Du bist vorbestraft, Mann!«
»Bin ich nicht. War ’ne Jugendstrafe damals wegen der Klopperei. Das zählt nicht.«
»Ich wäre da schon vorsichtiger«, beharrt Marlon.
»Bis morgen Früh ist doch noch lange hin«, meint Frieda. »Nun sei kein Spielverderber, Marlon! Ich nehme an, wir machen eine kleine Tour.«
»Genau!« Karsten reißt die Beifahrertür auf. »Bitte sehr.«
»Da passen wir wohl kaum alle rein«, sage ich. »Hab auch keinen Bock auf die Fahrt.«
»Ich auch nicht.« Benny liegt auf der Kühlerhaube des alten Ford. Ich glaub nicht, dass er überhaupt noch checkt, was hier läuft. Steve kriegt keinen Ton heraus.
Marlon nimmt einen langen Zug aus der Flasche. »Wenn du so beknackt bist, Alter, ist das dein Problem. Ich mach jedenfalls nicht mit, wenn du dir dein eigenes Grab schaufelst.«
Karsten sieht Frieda an.
»Cool!« Sie ist tatsächlich noch immer ganz baff. »Ich bin dabei. In Berlin bin ich schon mal mit so ’ner Karre gefahren.«
Noch während sie spricht, steigt sie ein.
»Zwei Bedingungen hab ich allerdings.«
Sie schlägt die Tür zu, öffnet das Fenster.
»Na?« Dass Karsten nichts Gutes ahnt, sieht man ihm an.
»Erstens: Wir fahren auf die Autobahn.«
»Kein Problem.«
»Zweitens: Auf dem Rückweg lässt du mich ans Steuer.«
Friedas Tagebuch
Ratzfatz war die Kiste auf zweihundert und wurde immer schneller. Die Autobahn war leer, ein urgutes Gefühl. »Mach das Licht aus!«, rief ich.
Karsten warf mir einen kurzen Blick zu und tat, was ich verlangt hatte. Das war das Irrste, was ich je erlebt hab. Wie in einem Raumschiff, das abhebt. Wir flogen durchs endlose All. Ich dachte, ich wäre high.
In diesem Augenblick fühlte ich mich Karsten sogar ein kleines bisschen nahe. Immerhin waren wir zusammen auf dem Weg zum Mars. Da vergisst man schon mal kurzzeitig, dass man jemanden nicht abkann.
Die Rücklichter des anderen Autos waren plötzlich einfach da. Wir bretterten volle Kanne drauf zu.
Es war, als ob es mitten auf der Autobahn stünde. Wir fuhren auf der rechten Spur und hatten ja kein Licht an, also konnte der Fahrer uns nicht sehen. Das Problem war, dass Karsten ihn scheinbar auch nicht sah. Er bremste nicht und wich auch nicht aus. Ich war absolut gelähmt, konnte nichts sagen, mich nicht rühren, nicht mal schreien. Erst im allerletzten Sekundenbruchteil wich
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