Filmriss
Finger, tausend Finger. Friedas Brüste sind das, aber nicht ihre Hände ... Diese Hände kenn ich doc h … Marlons Hände. Es sind gar keine tausend, nur zwei. Und ein Bein, direkt vor meiner Nase, vor meinem Mund, ein nacktes Bein. Friedas Bein.
Ein irrsinniger Schrei, als ob jemand krepiert. Ich glaube, ich hab zugebissen. Dann liegt Frieda auch schon auf mir drauf. Ich versuche alles, um sie wieder loszuwerden, aber das ist nicht so einfach. Wir wälzen uns durch den ganzen Raum, durch Dreck und Zigarettenkippen. Da, wo gerade noch oben war, ist jetzt unten, und umgekehrt. Es dauert Ewigkeiten. Dann reißt uns jemand hoch, Marlon, aber auch er schafft es nicht so leicht, uns auseinanderzukriegen. Wir sind wie verschlungene Lianen.
31
»Da war doch echt nix«, lallt Marlon und will mich in den Arm nehmen.
»Denkste, ich bin blind oder was!?« Ich schlag seine Hand weg.
»Frieda hat’s versucht, mehr nicht. Echt nicht.«
Wir liegen im Strandkorb. Um uns herrscht absolutes Chaos. Dosen, kaputte Flaschen, Kippen, alles durcheinander. Überall irgendwelche Leute, die auf dem Boden pennen. Andere hängen besoffen in den Ecken rum.
»Wo’s Frieda?«
Benny steht vor uns. Er sieht aus, als hätte er sich geprügelt. Unterm rechten Auge ist ein blauer Fleck. Irgendwas war auch mit Karsten, aber was genau, weiß ich nicht mehr.
»Keine Ahnung«, sage ich. »Vielleicht nach Hause. Besser wär’s.«
»Karsten ist auch nich mehr da.«
Benny lässt sich einfach auf den Boden sinken und heult los.
»Was haste denn?«, fragt Marlon.
»Ich muss ihr helfen«, jault Benny.
»Quatsch, Mann. Du musst gar nix.«
»Kein Quatsch. Ich hau den Typ windelweich!«
»Wen?« Ich komm nicht mehr ganz mit.
»Das Arschloch.«
»Karsten?«, frag ich.
»Karsten? Wieso den denn? Frieda will doch nix von ihm«, sagt Marlon.
»Aber von mir auch nix«, jammert Benny.
»Kann schon sein.« Marlon grinst. »Willst du was von ihr? Wusste ich ja noch gar nicht. Aber wo ist Frieda denn jetzt? Sag schon!«
Benny hat aufgehört zu heulen.
»Bestimmt zu Hause«, wiederhole ich stumpf. »Wenn sie schlau ist.«
»Der Zwerg ist auch weg«, meint Marlon. »Die sind garantiert nach Hause.«
»Dann isses ja gut«, murmele ich.
»Frieda hängt irgendwo mit diesem Arsch rum«, meint Benny.
»Mit dem Zwerg?« Marlon hat den Faden verloren. »Gib mal ’ne Fluppe.«
Benny hält ihm seinen Tabak hin, Marlon greift zu und der Tabak fällt runter. Beide vergessen ihn sofort.
»Quatsch, Zwerg. Arschloch hab ich gesagt. Dein feiner Kumpel.«
»Is nich mein Kumpel«, lallt Marlon. »Du bist mein Kumpel, Benny, das weiß du doch!« Er rutscht auf den Boden und legt den Arm um Bennys Schulter. »Ich halt immer zu dir, Benny, immer.«
Die ganze Zeit lasse ich den Tabak nicht aus den Augen. Beim Versuch, ihn aufzuheben, fliege ich in hohem Bogen aus dem Strandkorb, bleib auf dem Boden liegen, rappele mich dann aber schließlich zum Sitzen hoch. Irgendwas hab ich da unten gewollt. Keine Ahnung mehr, wa s …
Friedas Tagebuch
Ich erinnere mich an fast nichts. Praktisch der ganze Abend ist weg. Festplatte gelöscht. Nur ein paar winzige Spuren sind da noch, Bilder ohne Zusammenhang.
Das ist ein ganz seltsames Gefühl: Ich weiß genau, dass da was war, aber sosehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich nicht erinnern. Da kann ich mir das Hirn zermartern, mich auf den Kopf stellen oder sonst was veranstalten: Es ist weg! Als sei ein riesiger Scheibenwischer durch den Kopf gejagt, der alles rausschiebt, was er nicht drinhaben will.
Bei den Lottozahlen heißt es immer: »Alle Angaben ohne Gewähr!« Das gilt auch für das, was jetzt kommt.
Benny und Karsten haben mich die ganze Zeit irgendwie angegraben, jeder auf seine Art: Karsten plump und aufdringlich, Benny zurückhaltender und schüchtern, aber auch so, als würde ich ihm gehören oder so was, als hätte er irgendwelche Ansprüche. Ich hab keine Ahnung, wie er darauf gekommen ist.
Ich wollte aber nur Marlon. Obwohl er mit Birte zusammen ist und ich Birte eigentlich mag. Aber ich wollte eben nur ihn. Das war mir so klar wie noch nie. Als das Strip-Poker-Flaschendrehen losging, war ich schon ziemlich hacke. Deswegen hab ich wohl auch gedacht, das wäre meine Chance. Dafür war es nur wichtig, in Marlons Nähe zu sitzen, am besten direkt neben ihm. Hab ich auch locker geschafft. Dass Birte auf der anderen Seite saß, war mir egal. Ich war in diesem Moment sicher, dass er eigentlich auch mich
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