Filmriss
seinem inneren Auge sieht der uns Mädels schon nackt dasitzen und sich selbst daneben in Jacke und Hose. Wenn man genau hinguckt, kann man diese Bilder wie einen Film in seinen glasigen Augen ablaufen sehen.
Mittlerweile ist es ganz schön abgekühlt in der Bude, der Ofen ist seit einer ganzen Weile aus. Dass Karsten sich sofort wieder anzieht, liegt also nicht nur an der peinlichen Situatio n – wir anderen sind fast komplett angezoge n –, sondern auch an seiner Gänsehaut. Er zittert vor Kälte.
Ich glaub, der war noch nie so voll wie heute. Er hält sich sonst viel mehr zurück. Ich hab ihn genau beobachtet. Wenn er denkt, dass niemand zusieht, kann es vorkommen, dass er ein Glas einfach wegkippt oder eine Flasche weiterreicht, ohne getrunken zu haben. Heute aber lässt er diese Tricks sein.
»Tolle Nummer«, sage ich spöttisch zu Marlon. »Wirklich genial. Karsten nackt. Was kann es Schöneres geben?« An meiner Stimme merke ich, wie besoffen auch ich inzwischen bin.
»Er hat sich blamiert«, lallt Marlon. »War höchste Zeit.«
»Der blamiert sich doch jeden Tag. Einfach weil er ist, wie er ist.«
Trotz der Kälte kommt es mir so vor, als würde Frieda schwitzen. Meine Gedanken bewegen sich in Zeitlupe. Was ich sehe, geht dafür umso schneller vor sich: Frieda steht auf, streift Jacke und Pullover ab. Dann öffnet sie die Jeans: Gürtel, Knopf, Reißverschluss, alles in einer einzigen Bewegung. Ihr Top fällt auf den Boden, und schon steht sie im BH da. Ein paar Jungs grölen sofort. Frieda versucht die Jeans abzustreifen. Die ist aber dermaßen eng und sie selbst so wackelig auf den Beinen, dass sie dabei gleich zweimal umkippt. Sie kommt aber erstaunlich schnell wieder hoch. Steve sitzt abseits in einer Ecke und beobachtet alles mit offenem Mund. Die ganze Zeit gibt er keinen Piep von sich.
Es läuft ein Stück von den Kings of Leon . Frieda versucht sich zum Rhythmus der Musik zu bewegen, kriegt das aber, breit, wie sie ist, überhaupt nicht hin. Sonst hat sie ein ganz gutes Gespür für Musik, gerade für diese, aber davon ist jetzt nichts mehr übrig.
Als sie ihren BH nicht sofort aufkriegt, springt einer der Typen hoch und erledigt das für sie. Sie grinst ihn an. Jetzt trägt sie nur noch einen Tanga und schwarze Socken. Eine davon ist hochgezogen bis zum Knie, die andere runtergerutscht auf die Hacken. Das sieht total absurd aus. Der Typ schwingt ihren BH überm Kopf wie ein Beutestück. Völlig enthemmt grapscht er nach ihrer Brust, aber sie scheint es nicht mal zu merken. Jedenfalls lässt sie es sich gefallen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Dabei zappelt sie weiter rum, das hält sie offenbar für Tanzen. Der Typ mit dem BH ist immer noch da. Die Gröler fangen an, in die Hände zu klatschen. Karsten, noch immer halb nackt, kommt dazu und kriegt ganz ähnliche Zuckungen wie Frieda. Immer wieder berührt er sie dabei an den unmöglichsten Stellen und tut, als wäre das purer Zufall.
Der andere Typ legt ihm den BH auf den Kopf. Karsten nimmt ihn runter und versucht ihn sich umzubinden, alle lachen. Dann kniet er sich hin. Als Erstes denke ich: Der kann nicht mehr, der liegt im nächsten Moment flach. Aber dann will er Frieda den BH wieder anziehen. Allerdings nicht an der richtigen Stelle, sondern zwei Etagen tiefer. Sie checkt auch das nicht mehr. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie überhaupt mitkriegt, dass da jemand neben ihr kniet und schon gar nicht, wer.
Ihre Augen sind geschlossen. Sie kämpft um ihr Gleichgewicht. Karsten fummelt noch immer mit dem BH an ihrem nackten Hintern rum. Endlich hat er den Verschluss zu und rappelt sich wieder hoch.
»Jetzt hat sie einen AH !«, brüllt er.
Das Gegröle der anderen Idioten treibt Karsten weiter an. Sein Gesicht glänzt von Schweiß, sein T-Shirt ist völlig nass. Er presst sich von hinten gegen Frieda, nur noch den BH zwischen seiner Jeans und ihrer Haut. Von vorne kommt ihr jetzt der andere Typ so nahe, dass sie praktisch zwischen den beiden eingeklemmt ist.
»Wir sind ein Sandwich!«, schreit der andere. »Und sie ist die Auflage!«
Mir scheint es, dass Frieda von alldem gar nichts mitkriegt. Ich will ihr helfen, aber ich kann mich nicht bewegen. Und dann passiert ganz plötzlich etwas, was ich zuerst überhaupt nicht einordnen kann: Eine Rakete kommt angeflogen, eine lebende Rakete. Es ist Benny. Keine Ahnung, woher er kommt oder warum er das macht. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, packt er Karsten am Kragen. Es
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