Filmwissen
sogar noch von den starren Ritualen im Topos des Rittertums. Aufklärung als alltägliche Lebenspraxis, der Vulgär-Rationalismus einer ihre Grenzen ahnenden Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft war, trotz eines letzten mit humanistischem Pathos und viel Optimismus vorangetriebenen Aufschwungs, eigentlich schon in der Krise. Aber andererseits gab es für einen irrationalen relief wie er sich in der Entwicklung der Fantasy dann anbahnte noch keinen sozialen Konsens, und so musste noch ständig die eigene Überlegenheit über heroische und magische Lebensformen zelebriert werden, mussten in allem Möglichkeiten zu Rationalisierungen eingebaut sein. Die Hingabe, die später John Boorman in Excalibur praktizieren sollte, war zu diesem Zeitpunkt wohl noch kaum möglich. So wirkt Camelot als ein wenig hybrides Zwischenglied zwischen den klassischen Genre-Filmen der fünfziger Jahre mit ihrem unbeschwert kindlichen Charme und den vereinzelten Meisterstücken, die die siebziger Jahre zu diesem Motivkreis hervorbringen sollten.
Betrachtet man die Entwicklung des Motivs in der Filmgeschichte bis hierher, so lässt sich ein Aufbauen einer «klassischen» Ikonographie bis zu den Filmen der fünfziger Jahre beobachten (vergleiche auch Liebe, Tod und Teufel: Hollywoods Ritter in den fünfziger Jahren) und eine zunächst vorsichtige, dann Raum greifende Problematisierung der Artus-Mythologie. Zunächst schien es, als seien die Ritter nichts anderes als die Abenteurer in den prächtigen Rüstungen, die stark genug sind, jeden Feind im offenen Kampf zu besiegen, und die sich verstärken durch junge Helden (das ständige Motiv der Initiation und Neuaufnahme), die auch klug genug sind, sich entwickelnde Intrigen zu durchschauen. (Das Motiv dieser Neuaufnahme hat sicher noch einen anderen Grund, denn konnte der Hollywood-Film die Tafelrunde schon nicht zu einer demokratischen Institution umdeuten, so versuchte er doch zu zeigen, dass es letztlich Tapferkeit und Leistung waren, die über die Aufnahme entschieden, und nicht die Zugehörigkeit zu einer Kaste.) Aber das in die Artus-Legende eingeschriebene tragische Melodram, das zunächst ein wenig unverstanden geblieben war und das einige «reine» Abenteuerfilme wohlweislich aus dem Blickfeld rückten, war auch ein Stachel, der nun zu schmerzen begann. Denn die Liebesgeschichte mit dem fatalen Ausgang war ja mehr als das Scheitern des Abenteurers am eigenen Verhaltenscode; es war auch eine politische Allegorie auf den Untergang einer Herrschaftsform, in der die Herrscher gezwungen waren, gegen ihre Interessen oder gegen ihre Gefühle zu handeln. Dass darin verborgen das Bild einer Endzeit lag, nicht nur, weil sich in diesem Bild notwendig jede Liebe als die letzte darstellt, sondern auch, weil das Abenteuer sein Ende finden musste, konnte zunächst nur geahnt werden. Doch je mehr man auch die eigene Zeit als eine Endzeit zu begreifen begann, desto bedeutsamer wurde auch das Bild von der Suche nach dem Gral als letzte vergebliche Anstrengung zu einer Sinn-Bestimmung und der verzweifelten Liebe als Todesstoß für eine Ordnung auch als modernes Gleichnis.
Robert Bresson war es, der diese Analogie am deutlichsten dargestellt hat. Man kann seinem Film Lancelot du lac ( Lancelot, Ritter der Königin ; 1974) sicher nicht gerecht werden, wenn man ihn als «Abenteuerfilm» betrachtet, er ist dennoch zu interpretieren auch als Kommentar zu den Traditionen des Genres, zum Zusammenhang von Abenteuer und Verzweiflung. Über «Stoff und Entstehung» berichtet Vinzenz B. Burg:
«Bresson entnimmt den Stoff zu Lancelot dem mittelalterlichen Prosaroman eines unbekannten Autors, dessen Werk zu einem Zyklus über die Gral- und Artus-Sage gehört. Die Hauptrolle für das Gral-Motiv ist Robert de Borons Roman de l’estoire del Graal ; eine um 1180 entstandene und bekanntere Bearbeitung ist Chrétiens Li Contes del Graal . Vergleicht man den Film mit den Vorbildern, so ist festzustellen, dass Bresson das verwickelte Original stark vereinfacht. Er lässt nicht nur alle magischen Elemente (zum Beispiel den Zauberer Merlin oder die Dame vom See) fort, sondern erwähnt auch die vergebliche Suche nach dem Gral nur im Vorspann-Text. Statt dessen stellt er die ehebrecherische Liebe zwischen Lancelot und der Königin Ginevra in den Mittelpunkt. Als Hintergrund zu dieser privaten Geschichte dienen der Zerfall des Artus-Reichs und der Untergang des Rittertums. Lancelot ist aber trotz der historischen Einkleidung
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