Filmwissen
Teilaspekte der Artus-Legende beschränkten, spannt Boorman, der auch am Drehbuch mitgewirkt hat, den Bogen über das gesamte Epos. Als die eigentliche Schlüsselfigur erscheint hier der Magier Merlin, vermittelnd zwischen den Mächten des Übernatürlichen und den materiellen Motiven der Menschen. Er ist der «Königsmacher». Und er ist es, der in grauer Vorzeit den Ritter Uther zum König bestimmte, indem er ihn zum Besitzer des magischen Schwertes Excalibur machte. Uther verliebt sich in die Frau seines früheren Feindes Cornwall, und Merlin (Nicol Williamson) hilft ihm, sich ihr zu nähern, indem er ihm die Gestalt Cornwalls gibt. Merlins Bedingung ist aber, dass ihm der Sohn, der in dieser Liebesnacht gezeugt wird, übergeben werde. Nach der Geburt des Sohnes erscheint Merlin, um das Kind für sich zu fordern, und Uther, der die Stelle Cornwalls eingenommen hat, steht zu seinem Versprechen. Das Kind gibt Merlin zu einem Ritter. In dieser Wendung der Handlung, die nicht zuletzt auf T. H. Whites The Once and Future King zurückgeht, erscheint die Artus-Legende als ein «Erziehungsroman »: Merlin erzieht sich seinen König Arthur zum Idealbild in einer Phantasiewelt, durch die das Mittelalter, ja die Geschichte der Welt nach dem Verstoß der Menschen aus der Einheit von Natur und Wunder, ihre Überhöhung und ihren Sinn erhält. Das tragische Motiv in Boormans Version ist, dass dieser Erziehungsroman letztlich missglückt, weil es «reine Träume» nicht gibt. Die gute Phantasie aus dem Leben, wie sie Merlin schaffen will, findet ihre Korrektur in der bösen Phantasie, die Morgana vertritt. Und immer muss, wer der Erfüllung der Phantasie im Wege steht (die «Menschen» in der Phantasie) auf mehr oder minder grausame Art ums Leben kommen. Kurze Zeit später wird Uther von seinen Widersachern getötet; mit letzter Kraft treibt er das magische Schwert Excalibur in einen Stein, aus dem es nur ein wahrer König wieder entfernen kann.
Dies ist gewissermaßen die mythische Vorgeschichte zur «realen» Erzählung des Films, die nun als Erfüllung der durch Merlins Spiel angelegten Konstellationen erscheint, zugleich aber auch als ihr Zerbersten an den unvermeidlichen Widersprüchen. Mag es Merlins Absicht gewesen sein, die Kontinuität der ritterlich-magischen Weltsicht zu wahren, so kann er doch nicht verhindern, dass eine neue Zeit schon im Herandämmern die Grundlagen dieser Weltsicht zerstört, so wie der beginnende Akt des Erwachens oft widersprüchliche und grelle Akzente in den Traum bringt. Merlin schafft (wie seine Geschöpfe: mit letzter Kraft) die Legende, mit der sich leben lassen wird. Er selbst muss bei dem Versuch, die ideale Gestalt und in Camelot die ideale Welt zu schaffen, Grausamkeit, Verrat, Verstellung hervorbringen; er kann nicht wirklich zufrieden sein mit seinen Geschöpfen, die vor allem leidende sind. Während Merlin im «mythischen» Prolog zur Geschichte des Königs Arthur noch der Gestaltende ist, als Künstler und Alchimist der eigentliche Schöpfer des Mythos, so ist er nun, da sich das Heldenbild entfalten will gegen alle Retardierungen von Intrige und Leidenschaft, nur mehr Zeuge, der zwar gelegentlich noch in die Geschicke der Ritter eingreift, ohne freilich noch eindeutige Lösungen zustande zu bringen, den endgültigen Zerfall des Hofes aber nicht mehr verhindern kann.
Aus dem mythischen Dunkel des Prologs treten wir nun in das Licht mittelalterlichen Alltagslebens: Das Schwert im Stein ist zu einer Art Wallfahrtsort für die Ritter geworden; sie schlagen sich um die Ehre eines Versuches, Excalibur der steinernen Scheide zu entreißen und so eigene Anwartschaft auf die Königswürde zu beweisen. Aber auch den stärksten unter ihnen gelingt es nicht. Durch eine Kette von scheinbaren Zufällen trifft die Reihe schließlich den jungen Arthur, der mittlerweile Knappe bei einem älteren Ritter ist. Wie mühelos zieht er das Schwert aus dem Stein: Arthur ist der König. Eine Reihe von Rittern erkennen ihn an, doch andere widersetzen sich, und es kommt zum Kampf. Arthur (Nigel Terry) besiegt seine Feinde und kann manche von ihnen noch als Freunde gewinnen. Er widmet seine Regentschaft dem Frieden und dem Zusammenhalt der Ritter, und um dies zu gewährleisten, ruft er die Tafelrunde ins Leben. Zum ersten Ritter wird Lanzelot (Nicholas Clay), der sich Arthur in einem furchtbaren Zweikampf als ebenbürtig erwiesen hat. Aber das Leben am Hofe von Camelot bringt auch Intrigen und Zwietracht
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