Filmwissen
der zweifach Absolution erhält, durch seinen eigenen strengen Ehrenkodex, durch den sich der gute vom bösen Piraten unterscheidet, der nicht zu retten ist, und durch seine nationale Loyalität, die allenfalls durch Intrigen in Frage gestellt sein kann.
Der Pirat erlangt selten den Status eines Volkshelden; dazu ist er stets bei seinen Abenteuern zu weit von allem entfernt, was Heimat ist (und doch schafft der Pirat sich vieles an Heimat: die See, das Schiff, den Hafen, das Hideout); er ist als swashbuckler eine der Mischungen aus Barbar und Gentleman im Genre, die sich über so viele Konventionen hinwegzusetzen vermögen, ohne sie außer Kraft zu setzen. Und dennoch findet sich in dieser Figur auch ein Echo des Sozialrebellen, da die Piraten in der Literatur wie im Film vor allem patriotischen Pflichtwerk den Kampf gegen die Tyrannen und Sklavenhalter führen. Sie entreißen immer und immer wieder den Diktatoren und deren Abgesandten die guten Töchter. Eine lustvolle Expropriation der Expropriateure ist ihr Abenteuer, bevor es sich im Happy-End verliert, aber niemals eine Revolution.
Als Genre beginnt der Piratenfilm erst in den dreißiger Jahren zu leben, wiewohl es schon seit den Jahren um 1905 Filme gegeben hat, die, des öfteren von der populären Literatur ausgehend, Piraten als Helden oder als Widersacher präsentierten. Neben einer Reihe von Captain Kidd-Filmen wurde auch ein Serial mit der offensichtlich zu dieser Zeit beliebtesten Piratengestalt gedreht, Captain Kidd (1922).
Frühe spectaculars des Genres sind unter anderem The Sea Hawk (1924, Regie: Frank Lloyd) oder Captain Blood (1924, Regie: David Smith), entstanden nach Romanen von Rafaele Sabatini. Und natürlich wirkte wiederum Douglas Fairbanks in dem von Albert Parker inszenierten Farbfilm (Zwei-Farben-Technicolor) The Black Pirate ( Der schwarze Pirat ) aus dem Jahr 1926 stilbildend. Der Piratenheld dieses Films ist, was sich freilich erst am Schluss herausstellt, ein spanischer Adeliger, Graf Arnoldo (Fairbanks), der sich an den Mördern seines Vaters, Piraten, rächt. Er übernimmt die Herrschaft über ein Piratenschiff und kapert ein Handelsschiff. Auf diesem jedoch befindet sich eine schöne Prinzessin (Billie Dove), in die sich Arnoldo prompt verliebt. Seine Pläne, ihr zur Flucht zu verhelfen, scheitern zunächst am Misstrauen seines Ersten Offiziers (Sam de Grasse), der ihn später schließlich absetzt und «über die Planke» schickt. Doch Arnoldo kann die rettende Küste erreichen, und es gelingt ihm, mit einer Handvoll Gefährten das Piratenschiff zu entern, die Piraten zu besiegen und die Prinzessin zu befreien.
Ganz im Vordergrund steht hier die moralische Konstruktion in der Geschichte des Piraten, der freilich Douglas Fairbanks sein Lachen entgegensetzt. Der Pirat ist eigentlich gar kein Pirat, und die «wirklichen» Piraten in diesem Film sind eine Horde brutaler, verschlagener und nicht zuletzt hässlicher Gesellen. Aber in der Gestalt eines eher komischen, gutmütigen schottischen Piraten (Donald Crisp) gibt es auch hier bereits ein positives Gegenbild. Die Figur eines behäbigen, bei aller bösen Lust doch im Herzen freundlichen Piraten, ausgestattet mit einer gewissen Korpulenz, ein wenig Selbstironie und einem Hauch von Väterlichkeit, wird es auch später in anderen Filmen des Genres wie Jacques Tourneurs Anne of the Indies geben. Der Film enthält im Übrigen ein im Genre immer wiederkehrendes spektakuläres Motiv: Um möglichst schnell von einem Platz in der Takelage auf das Deck zu kommen, steckt der Held seinen Dolch in das Tuch des Segels und gleitet so rasch an dem Schnitt im Tuch entlang nach unten.
Eine ganz ähnliche moralische Konstruktion zur Ehrenrettung des Piratenhelden findet sich auch in den Erzählungen um die Figur des Captain Peter Blood, den Rafael Sabatini erfand, der 1950 verstorbene Autor zahlreicher historischer Abenteuerromane, darunter Scaramouche (vergleiche das Kapitel Der Mantel & Degen-Film) , dessen Arbeiten gewiss für die Konstitution des Piratenfilms als Genre einen bedeutenden Beitrag geleistet haben. Blood ist der fälschlich des Verrats angeklagte, unschuldig verfolgte und schließlich als Sklave nach Westindien verbrachte Märtyrerheld, der zum Piraten wird, um zu helfen und um sich zu rächen, und der doch, als sein Land ihn braucht, zur Stelle ist. Sein Kampf ist am wenigsten von der Gier nach Gold und Reichtum oder gar der Lust an der Gewalt bestimmt; für ihn ist die Piraterie
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