Filmwissen
durchbricht, um die Angebetete (Antonella Lualdi) allen Intrigen und Fährnissen zum Trotz zu gewinnen. Eine Variation der Motive bot Bergonzelli in Tonnerre sur l’océan Indien ( Donner über dem Indischen Ozean ; 1967), wo Surcouf (wieder von Barray dargestellt) zu neuen Taten schreitet.
Das Problem dieser Filme war allerdings nicht nur die Beschränkung auf das Format des B-Films, sondern auch das, was man die Unwiederbringlichkeit des zu Ende geträumten Traumes nennen könnte. Die Rekonstruktion funktionierte nur bis zu einem gewissen Grad, und man konnte sich nicht so recht klar darüber werden, ob darauf mit Wehmut, Sarkasmus, Brutalität, Ironie oder Detailfetischismus zu reagieren wäre.
Noch einmal, im Jahr 1976, setzte man zu einer Wiederbelebung des klassischen Piratenfilms an. In den USA entstand Swashbuckler , auch The Scarlet Buccaneer ( Der scharlachrote Pirat ; Regie: James Goldstone) betitelt, mit Robert Shaw in der Titelrolle, ein Film, der sich nie ganz zwischen Ironisierung und dramatischem Ernst entscheiden kann. Wieder gibt es den tyrannischen Insel-Gouverneur, gegen den der Pirat kämpft, und wieder ist ihm das wichtiger als alles Beutemachen, weil ihm als Belohnung das Herz einer schönen Frau winkt (hier ist es Geneviève Bujold), einer Frau, die ihn zunächst am liebsten mit dem Degen aufgespießt hätte. Und wieder macht der Film den «Fehler», mit dem der B-Piratenfilm seit jeher dem Genre den Garaus zu machen drohte: Er entfremdet den Piraten von seinem eigentlichen Element, der See, lässt ihn nicht zu Wasser, sondern auf dem Trockenen kämpfen, und er definiert ihn mehr durch den vorangehenden Rolltitel als durch die Beschreibung seiner Lebensumstände.
In Italien drehte Sergio Sollima Il Corsaro Nero ( Der schwarze Korsar ; 1976) mit Kabir Bedi in der Titelrolle. (Mit dem indischen Schauspieler Kabir Bedi in der Hauptrolle hatte Sollima im selben Jahr auch eine TV-Serie um den edlen indischen Seeräuber Sandokan nach einer insbesondere in Italien populären literarischen Vorlage von Emilio Salgari geschaffen, aus der auch ein Kinofilm zusammengestellt wurde: «La tigre» – Sandokan ). Über Il Corsaro Nero schrieb Helmut W. Banz in der Zeit:
«Der Glanz und Glamour des unvergessenen Seeräubergenres ist matt geworden in den derzeitigen Neuauflagen. Wie schon James Goldstones Der scharlachrote Pirat ist auch Der schwarze Korsar des renommierten Italowestern-Regisseurs Sergio Sollima kein Piratenfilm, nur ein Film über Piraten. Denn nicht Degenduelle oder Seeschlachten kennzeichnen dieses Genre, sondern die phantasievoll verschlüsselte Radikalität einer Freiheitsutopie, die Anarchie als artistisches Abenteuer zelebriert – Kindheitstraum und Traumkino par excellence. Bei Sollima gerinnt das Genre zur eher kümmerlichen Kombination aus trivialem Liebesmelodram, aufgesetztem Sozialpathos und halbherziger Parodie. Das Resultat bewirkt gepflegte Langeweile – und weckt Erinnerungen an furiosere Freibeuter als Hauptdarsteller Kabir Bedi: an Douglas Fairbanks, Errol Flynn und Burt Lancaster. Eben an Piratenfilme alten Schlages .»
Nach diesen zumindest unspektakulären Wiederbelebungsversuchen des Genres kamen Piraten mehr oder weniger nur noch als Spuk zurück, so in John Carpenters The Fog ( The Fog – Nebel des Grauens ; 1979) oder in The Island ( Freibeuter des Todes ; 1979, Regie: Michael Ritchie). Natürlich gibt es produktionstechnische Ursachen für das Versiegen des Piratenfilms, veränderte Kino-Strukturen, aber vielleicht haben wir, die wir so freigebig mit dem Wort vom «Anarchismus» umgehen, die Beziehung zu diesem Menschenschlag schon verloren, der keinen König hat, aber dafür den Wind, wie Anthony Quinn in The Black Swan sagt.
Doch je ähnlicher unsere Zeit den «repressiven Fünfzigern» wird, in denen der Film-Pirat auf großer Fahrt war, je sehnsüchtiger ist unser Bild auf den endlosen blauen Horizont gerichtet. Wir warten auf ein fernes weißes Segel …
En garde! Der Mantel- und Degen-Film
D’Artagnan und die drei Musketiere
Mit seinem Les Trois Mousquetaires (1844) und den Fortsetzungen zu diesem Roman, Vingt Ans Après (1845) und Vicomte De Bragelonne (1847), hatte Alexandre Dumas einen Abenteuerstoff geschaffen, der nicht nur durch «naturhafte Vitalität, den mitreißenden Schwung seiner ungezähmten Einbildungskraft» (Gero von Wilpert) das Publikum seiner Zeit fesselte, sondern auch die Phantasie kommender Generationen von Autoren und Lesern.
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