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Finale auf Föhr

Finale auf Föhr

Titel: Finale auf Föhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin dodenhoeft
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dienstlich-förmlich, steif und dabei, so glaubte sie, voll unterdrückter Gefühle.
    Ja, dafür hatte sie einen Blick. Diese besondere Fähigkeit hatte ihr immer sehr genützt, schon im Kindergarten. In der Schule war sie von Anfang an immer Klassensprecherin gewesen – natürlich weil sie sich selbst dazu gemeldet hatte, aber immer auch wegen ihrer Fähigkeit, Konflikte zu entschärfen, bevor sie richtig heftig zum Ausbruch kamen. Oft konnte sie Streitfälle so schlichten, dass die Parteien sich hinterher gewundert hatten, warum man überhaupt gestritten hatte. In Eutin war sie zur Jahrgangssprecherin gewählt worden, und in der GdP, der Polizeigewerkschaft, war sie auch schon als Nachwuchstalent erkannt worden. Sie hasste einfach Streit. Es gab doch immer Alternativen!
    In diesem Moment wurde sie ruckartig nach rechts geschleudert, Seyfried überholte in der Kurve ein silbergraues altes Cabrio, das recht langsam unterwegs war, jedenfalls langsamer als die erlaubten 70 Stundenkilometer. Im Überholverbot! Ina beherrschte sich. Immer an Peters’ Devise denken: Unsichtbar bleiben! Sie erkannte flüchtig einen Mann am Steuer, der eine schwarze, vorn bunt bedruckte Baseballkappe und eine Sonnenbrille trug. Weißes kurzärmliges Hemd, Arme und Gesicht nicht besonders braun gebrannt. Alter unklar, sicher nicht jung. Wer so ein Auto fuhr, brauchte Geld, musste Zeit gehabt haben, es zu verdienen.
    Ina Meyer wurde im Gurt nach vorn geschleudert, Seyfried bremste ruckartig. Die Ampel an der großen Kreuzung. Jetzt gab er aber wieder Gas, der Wagen schoss nach vorn! Im Fahrstil zeigte sich, dass der Beamte offenbar nicht ganz so beherrscht war, wie er sich in den Gesprächen gab. Interessant, dachte die Polizeischülerin, entschlossen, das Peters zu erzählen.
    Sie fuhren auf der Kreisstraße 123 am Flugplatz der Insel Föhr vorbei. Gerade rollte eine Sportmaschine zum Start, Richtung Westen. Am Golfplatz bogen sie links in die Siedlung Greveling ein, fuhren erst geradeaus, dann links. Seyfried lenkte den Wagen durch das offen stehende Tor auf eine breite Auffahrt und brachte ihn direkt vor dem Eingang der großen, reetgedeckten Siewering-Villa zum Stehen. »Auf geht’s«, forderte er seine Beifahrer auf und stieg aus. »Halten Sie sich bereit! Ihr Chef will, dass Sie was lernen«, sagte er in leicht spöttischem Ton zu der Nachwuchspolizistin.
    Kohlmann klingelte, und gleich darauf öffnete eine grauhaarige, mittelgroße Frau, Alter vielleicht Mitte bis Ende Sechzig. Sie trug einen hellgrauen Rock, eine weiße Bluse, flache schwarze Schuhe. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie. Ihre Stimme ließ erkennen, dass sie eine Einheimische war.
    »Seyfried, Kriminalpolizei«, ergriff der Hauptkommissar die Initiative, »wir sind angemeldet. Ich möchte gern mit Frau Helen Siewering sprechen.«
    »Ja, kommen Sie bitte herein, Frau Siewering erwartet Sie bereits.« Mit wachen Augen musterte sie die beiden in Zivil gekleideten Männer und die junge Polizistin. Es schien, als wolle sie sagen, es werde wahrhaftig Zeit, dass die Polizei etwas wegen des toten Hermann Siewerings und seines vermissten Sohnes unternehme. Sie führte sie durch den Flur in das große Wohnzimmer, in dem sich eine sehr jung und sportlich wirkende Frau mit halblangen blonden Haaren von einem Sessel erhob und ihnen entgegenkam.
    Extrem gepflegte Erscheinung, stellte Ina Meyer fest. Perfekt vom Scheitel bis zur Sohle! Die Frau musste um die dreißig, fünfunddreißig Jahre alt sein, vielleicht etwas älter, das wusste man ja nie so genau. Im Zweifelsfall immer neunundzwanzig. Das einfache, aber elegant wirkende weiße Kleid mit halbrundem, nicht zu tiefen Ausschnitt reichte bis knapp über die Knie. Die nackten Füße (Zehennägel wie die Fingernägel weiß lackiert) steckten in eleganten weißen Sandalen. Sonnengebräunt, aber nicht verknittert oder gar verbrannt. Nur die Augen wirkten glasig, das Gesicht ein ganz klein wenig geschwollen. Vielleicht hatte sie geweint. Oder getrunken. Und: Zwei Fingernägel abgebrochen. Doch nicht ultraperfekt! Das passierte auch den Reichen und Schönen, dachte die junge Polizistin schadenfroh. Unwillkürlich sah sie auf ihre eigenen, immer kurz geschnittenen, völlig unlackierten Nägel.
    Seyfried stellte sich und seinen Mitarbeiter vor. Die junge Polizistin, die sich im Hintergrund hielt, erwähnte er als »unsere Unterstützung von der Inselpolizei«. Ihren Namen hatte er wohl schon vergessen oder sich nie gemerkt, der

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