Finale auf Föhr
arrogante Schnösel, dachte Ina Meyer grimmig. Helen Siewering bat sie, Platz zu nehmen, setzte sich selbst aufrecht in eine Ecke des Sofas. Seyfried besetzte einen der üppigen weißledernen Sessel, Kohlmann den zweiten. Für Ina Meyer blieb die freie Sofaecke. Weißes, glattes Leder, angenehm kühl. Trotz des warmen Tages war es überhaupt in dem ganzen großen Raum, in dessen hinterem Teil sie sogar einen Flügel entdeckte, angenehm temperiert.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, etwas Erfrischendes?« Die Kriminalbeamten entschieden sich für Kaffee, Ina Meyer bat um ein Glas Wasser. »Frau Iversen, bringen Sie mir ebenfalls ein Wasser, ein stilles, bitte.« Die Haushälterin verließ den Raum. »Was ist nun? Gibt es etwas Neues von meinem Mann oder über meinen Schwiegervater?«, fragte Helen Siewering drängend, beugte sich dabei leicht nach vorn.
»Bedaure«, sagte Seyfried, »noch stehen wir ganz am Anfang der Ermittlungen. Bis jetzt wissen wir nur, dass Ihr Schwiegervater an einem Herzinfarkt gestorben ist. Ihr Mann ist nach wie vor vermisst. Die Yacht wurde treibend aufgefunden und geborgen. Sie liegt jetzt zur kriminaltechnischen Untersuchung im Husumer Hafen.« Er setzte fort: »Sie werden verstehen, Frau Siewering, dass wir in alle Richtungen ermitteln müssen. Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Mann und Ihr Schwiegervater eine heftige Auseinandersetzung gehabt haben. Ich frage Sie: Können Sie dies bestätigen, gab es in letzter Zeit Streit zwischen den beiden?«
Helen Siewering fuhr auf: »Sie unterstellen, dass mein Mann seinen Vater ... ach nein, er ist ja gar nicht ermordet worden. Ich verstehe das nicht. Jedenfalls weiß ich von keinen besonderen Streitigkeiten. Sie haben immer mal Auseinandersetzungen gehabt, aber nicht in der Art, die Sie Streit nennen. In unserer Familie ist das absolut nicht üblich.«
Ja, dachte die junge Polizistin, in diesen piekfeinen Kreisen diskutiert man immer nur gepflegt, und wenn es mal mehr zur Sache geht, dann über die Anwälte.
Seyfried insistierte: »Versuchen Sie sich zu erinnern. Gab es in letzter Zeit gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden?« Die Frau verneinte erneut, räumte aber ein, dass es immer wieder mal heftige Debatten um die Firmenpolitik gegeben habe: »Ich habe wenig Ahnung von den geschäftlichen Angelegenheiten meines Mannes und seines Vaters. Mein Mann hat schon vor Jahren die Mehrheit der Anteile an der Reederei von seinem Vater übernommen und er hat die alleinige Geschäftsführung. Bei den Diskussionen, die ich mitbekommen habe, ging es meistens um die Entwicklung der Reederei, um Expansion und die Neuerungen, die mein Mann inzwischen eingeführt hat. Damit war sein Vater nicht immer einverstanden. Aber zum Schluss haben sie sich immer wieder vertragen, und außerdem steht die Firma recht gut da, das weiß ich!«
»Darüber wüsste ich gern etwas mehr. Worüber haben Ihr Mann und sein Vater denn diskutiert? Gab es ein wiederkehrendes Thema?«, fragte nun Kohlmann mit seiner sanften Stimme nach.
»Ich sagte Ihnen doch schon, das hat mich nicht interessiert!«, fuhr sie ihn an.
»Versuchen Sie sich zu erinnern. Vielleicht an die letzte Zeit. Gab es da etwas Besonderes?«, bat der Kriminalbeamte, immer noch sanft. Der lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, bewunderte ihn Ina. Wahrscheinlich war er mit seiner harmlosen Art doch ziemlich effektiv.
Widerwillig blickte die Frau ihn an, ließ sich aber schließlich doch herbei, ihre Ausführungen etwas zu präzisieren. »Sie haben im Grunde immer nur über ein Thema debattiert: Wie geht es mit der Reederei weiter! Mein Schwiegervater hat nach dem Krieg das Unternehmen gegründet und aus dem Nichts aufgebaut. Es ging mal rauf und mal runter, aber langfristig immer bergauf. Vor gut zehn Jahren hat er die Geschäftsführung an meinen Mann übergeben, hat aber immer noch Anteile in der Hand behalten, eine Sperrminorität sozusagen. Im Grunde konnte mein Mann ohne ihn nicht viel machen, und das hat ihn natürlich geärgert. Mein Mann hat befürchtet, dass das Familienunternehmen mit seiner Struktur auf längere Sicht keinen Bestand mehr haben würde. Er wollte sich mit ausländischen Partnern zusammentun, um auf einen Schlag wesentlich größere Marktanteile zu haben. Mein Schwiegervater hat das total abgelehnt. Der hat zwar auch fusioniert, aber das hieß immer, dass kleinere Reedereien geschluckt wurden. In den letzten Monaten hat mein Mann mit einer
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