Finale auf Föhr
daran, wie einmal eine Frau Franz Branntwein ziemlich deutlich angemacht hatte. Wäre Carl nicht schon vom Schwitzen rot im Gesicht gewesen ... zumal die Frau erwähnt hatte, dass ihr Ehemann wahrscheinlich schon draußen säße, um sie abzuholen. Mancher oder manche musste sich das bisschen sexuellen Kitzel halt auf diese Weise holen, hatte Carl sie insgeheim bedauert. Sein deutliches Räuspern aus der Nebenkabine hatte sie jäh zum Verstummen gebracht.
Er konzentrierte sich auf den Eingangsbereich. Gleich hinter »seiner« Wand lag der Empfangstresen, an dem Franz Branntwein seine Termine eintrug und die Rechnungsbeträge ermittelte. Meistens saß Mareike dort. Dann war es ruhig; Mareike redete nie viel. Anders Franz Branntwein, der »Vater allen Klatsches«, wie Renata und Carl ihn bisweilen intern titulierten. Er hatte offenbar Besuch bekommen, mit dem er sich auf Friesisch unterhielt. Carl verstärkte seine Konzentration: Friesisch-Training! Das lenkte ihn von den Gedanken an Caroline ab, deren Erscheinung ständig in seinem Kopf herumspukte, sehr gut. Er drehte ein wenig den Kopf – mit dem rechten Ohr hörte er etwas besser als mit dem linken, Erinnerung an seine aktive Zeit bei der bundesdeutschen Artillerie. Die Grundbegriffe des Friesischen hatte ihm seine erste richtige Freundin Henrike beigebracht, sie waren fast zwei Jahre zusammen gewesen. Ach Henrike! Schöne und schmerzliche Erinnerungen an die Zeit vor nun bald 30 Jahren schwappten förmlich über ihn hinweg. Er verfluchte sich, dass er nicht vergessen konnte. Es war schön gewesen, solange es dauerte, und furchtbar, als es vorbei war, noch Jahre danach. Damals konnte er immerhin einigermaßen fließend Friesisch sprechen. Diese später nicht mehr trainierte Fertigkeit war ihm im Laufe der Jahre natürlich weitgehend verloren gegangen. Aber zum Verstehen reichte es noch, wenn die Leute nicht zu schnell sprachen.
Die beiden Männer draußen sprachen zum Glück recht laut und nicht zu schnell. Ekke hieß der Mann, den Franz Branntwein offenbar sehr gut kannte und schätzte. Der Zeitungsjournalist, hoffte Carl. Vielleicht gab es etwas Neues im Fall Siewering!
Er wurde nicht enttäuscht. Ekke Knudsen hatte nämlich herau s gefunden, dass die Frau des vermissten Martin Siewering wohl nicht direkt in den mysteriösen Fall verwickelt war. Sie habe den ganzen Abend in ihrem Haus, der Protzvilla, verbracht, wofür es Zeugen gäbe. Von ihrem Mann gäbe es immer noch keine Spur, nur das Boot sei treibend gefunden worden. Höchst seltsam! Das Ehepaar sei aber notorisch zerstritten. Der Frau müsse man also weiter auf die Finger sehen. Aus gut unterrichteten Kreisen hatte der Journalist vernommen, dass die Verkaufsverhandlungen über die Mehrheitsanteile an der Feringer Inselreederei an die Hamburger so gut wie abgeschlossen seien. Unterschriftsreif! Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren stark beunruhigt, besonders die in der Verwaltung und im Werftbereich, weniger das aktive Fährpersonal. Die Fusion brachte wahrscheinlich Rationalisierungsmaßnahmen mit sich, vor allem Personalverkürzung. Auch war die Reederei Siewering bekanntermaßen ein Unternehmen, das mit recht harter Hand geführt wurde. Die Stimmung würde sich also wohl auch für die Feringer-Mitarbeiter ändern. Nur würden die Karten jetzt wohl neu gemischt, wo sowohl der Chef als auch sein Vater ...
Ob wohl irgendeine Konkurrenz die Hand im Spiel hatte, dachte der in Laken und Wolldecke eingepackte, auf heißem Schlick schwitzende Carl. Oder durchgedrehte Mitarbeiter, die um ihre Jobs bangten?
Franz Branntwein und Ekke Knudsen nahmen sich ein anderes Thema vor – die teure und in den Augen einiger Insulaner überflüssige Sanierung von Sandwall und Königstraße in Wyk. Millionen wurden da eingesetzt, die sich auch gut an anderer Stelle gemacht hätten. Aber das Land schoss ja erhebliche Summen hinzu, das sollte man sich doch nicht entgehen lassen! Und die Urlauber sollten es nun mal besonders schön haben, damit sie wiederkämen und möglichst viel Geld auf der Insel ließen. Der Protest blieb also verhalten, außerdem verdienten nordfriesische Bauunternehmen.
Knudsen lauerte allerdings darauf, ob er vielleicht die Beschäftigung illegal eingesetzter ausländischer Bauarbeiter durch dubiose Subunternehmer aufdecken könnte. Jedenfalls wäre das doch mal wieder ein handfester Skandal! So wie vor etlichen Jahren, als solche Praktiken beim Ausbau einer Straße aufgeflogen waren
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