Finale Mosel
Doppelkinn. Auf der Bühne ist das kein Problem, da muss ich auch kein Opernglas fürchten.«
Es folgte ein Schnitt zu einer Szene während der Proben auf der Bühne des Amphitheaters.
»Das war’s.« Gabi schaltete die Geräte aus. »Heute Nachmittag kommt Marion Tiefenbach hierher.« Sie gab Walde einen Packen Papier. »Bis dahin sollten wir das mal anschauen. Die Münchner Kollegen haben uns ihre Unterlagen gesendet. Ich habe sie dreimal ausgedruckt.«
»Sollten wir uns nicht besser in ihrem Hotel verabreden?«, fragte Walde und wog den schweren Papierstapel in seinen Händen.
»Hier sind noch die Ausdrucke der Dateien, die aus dem Theater gekommen sind.« Grabbe legte weitere Blätter obenauf. Walde überflog die Liste der Ehrengäste.
»Wo waren Sie denn?«, rief ihm die Sekretärin im Vorzimmer des Polizeipräsidenten aufgeregt entgegen. »Sie werden dringend erwartet.« Im Eilschritt ging sie zur Tür ihres Chefs, wo sie nach dem Anklopfen Waldes Ankunft meldete.
»Herr Bock!« Stiermann verzichtete auf seine üblichen Höflichkeitsfloskeln, als Walde das helle Zimmer mit dem modernen Mobiliar betrat.
»Herr Präsident.«
Monika, die Pressesprecherin des Präsidiums, saß am Besprechungstisch. Sie nickte Walde lächelnd zu und fuhr damit fort, etwas in einen Block zu notieren. Auf dem Tisch lagen aufgeschlagene Zeitungen und Magazine. Selbst auf Stiermanns sonst penibel aufgeräumtem Schreibtisch herrschte ein Durcheinander aus Zeitungsartikeln.
Walde nahm am Tisch Platz. Früher gab es hier eine Sitzecke mit tiefen, weichen Sofas, aus denen man kaum mehr herauskam. Die neuen Möbel waren funktional und in einem kalten, nüchternen Design gehalten. So emotionslos, wie manche die Welt in Schwarz und Weiß, Gut und Böse einteilten, ohne Raum für Zwischentöne. Ein einziges Bild hätte dem Zimmer die Strenge nehmen können. Walde dachte an ein selbst gemaltes Bild, das er von Annika zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte: Ein leicht schiefer Tannenbaum, an dem ein rot ausgemaltes Herz hing.
»Was sagt Dr. Hoffmann?«, fragte Monika, als Walde sich ihr gegenüber setzte und mit seinen Papieren die Zeitungen zur Seite schob.
»Tiefenbach hat den Sturz überlebt und ist anschließend ertrunken.«
»Wenn es nicht geregnet hätte, könnte er dann noch leben?«
»Nicht unbedingt, die Verletzung hätte wahrscheinlich auch über kurz oder lang zum Tode geführt, meint Dr. Hoffmann.«
»Gibt es irgendwelche Anzeichen für Fremdverschulden?«, fragte der Polizeipräsident.
»Er deutet einiges darauf hin«, antwortete Walde. »Wahrscheinlich wurde er gestoßen.«
»Kann er nicht das Gleichgewicht verloren haben?« Stiermann schnaufte laut.
»Was meinen Sie?« fragte Walde.
»Könnte es nicht doch ein Unfall gewesen sein?«
»In einer Woche sollte die Verhandlung gegen Tiefenbach in München beginnen. Er hatte ein umfassendes Geständnis angekündigt, was dem ein oder anderen sicher nicht sehr lieb gewesen wäre.« Walde ließ seine rechte Hand hörbar auf den Packen Papier vor sich fallen. »Die Münchner Kollegen haben uns umfangreiches Material zukommen lassen.«
»Dann gibt es eine ganze Reihe Tatverdächtiger«, sagte Monika.
Walde nickte. »Leute aus der Münchner Schickeria. Es könnte aber auch jemand aus Trier sein. Man munkelt, er habe sich um den Posten des Intendanten der Antikenfestspiele beworben.«
»Das wird ja immer schöner«, entrüstete sich Stiermann. »Wer soll denn noch alles hinter der Geschichte stecken? Fehlt nur noch der Bischof!«
»Der stand zumindest auf der Einladungsliste der Premierengäste.« Walde betrachtete den runden Übertopf aus Edelstahl auf dem Fußboden neben dem Schreibtisch. Die glänzende Oberfläche des Topfes schien mit dem makellos polierten Parkett zu wetteifern. Heraus quoll eine dickstämmige Pflanze mit länglichen Blättern, die Walde an eine hochtoupierte Frisur der 60er Jahre erinnerte.
Stiermann ignorierte Waldes Bemerkung. »Wir sollten die Informationen für die Pressekonferenz abstimmen.«
»Welche Pressekonferenz?«, fragte Walde.
»Hast du meine Mail nicht bekommen?« Monika legte ihren Kugelschreiber auf den Block. Eine senkrechte Sorgenfalte erschien über ihrer Nasenwurzel.
»Ich hab’ noch keine Mails abgerufen. Wann soll die denn sein?«
»Um drei in der Kantine. Wir rechnen mit circa zwanzig Journalisten. Die kriegen wir sonst nirgendwo im Haus unter.« Sie nahm ihren Stift wieder in die Hand. »Was sagen wir denn
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