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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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natürlich recht. Schönen Abend noch.« Ich ging weiter.
    »Eh, kommen Sie denselben Weg zurück?« sagte er hinter mir.
    Ich drehte mich halb um. »Welchen sonst? Warum?«
    »Na ja«, sagte er. »Wenn die Kneipe zu ist, kommen Sie wieder hier vorbei. Wenn Sie nicht in der nächsten halben Stunde vorbeikommen, geh ich davon aus, daß Helga und Mick wieder da sind. Dann komm ich auch.«
    »Okay«, sagte ich ziemlich leise, wobei ich von ihm wegschaute. »Aber die Schere brauchen Sie nicht mitzubringen.«
    »Hatte ich nicht vor.«
    »Bis später dann.«
    Ich zählte die Schritte bis zur Brücke, etwas über fünfhundert, was bei meiner Schrittlänge gute vierhundert Meter ergab. Von der Brücke flußaufwärts zur Kneipe waren es noch einmal zweihundertfünfzig Meter.
    Die Furt
hatte geöffnet. Auf dem Parkplatz stand neben vier anderen Wagen Oswins alter Passat. Von Hegel war noch nichts zu sehen.
    Im Schankraum hielt sich lediglich Mick auf; bei dem allzu guten Wetter zog es alle anderen offenbar auf die Terrasse am Flußufer. Ich hörte Helgas heiseren Alt; sie lachte, und ich nahm an, daß einer der Gäste ihr einen Witz erzählt hatte. Es war aber ein kurzes Lachen; der Witz konnte nicht allzu gut gewesen sein.
    »Na, ihr Nichtsnutzigen«, sagte ich. »Schön, daß ihr wieder da seid. Vor ein paar Tagen hatte ich Durst und mußte weinend umkehren.«
    Mick grinste. »Paar Tage dürfen wir doch auch mal abhauen, oder? Schau mal, was ich gefunden hab.« Er hielt mir ein paar kleine, schwarze Scheiben hin.
    »Flohmarkt?«
    »Spezialladen. Antwerpen.«
    In der Ecke stand eine Musikbox aus den fernen Fünfzigern, die Mick hin und wieder neu bestückte. Allerdings sortierte er die alten Scheiben nicht aus. Ich glaube nicht, daß er ein festes Rotationsprogramm hatte; wahrscheinlich wechselte er einfach nach Lust und Mondphase aus. Ich las die Titel der »neuen« Singles, die er aus Antwerpen mitgebracht hatte:
Vous permettez, Monsieur
von Adamo,
All My Loving
von den Beatles,
Heißer Sand
von Mina (wie auch immer das nach Antwerpen gelangt sein mochte),
Bomba o non bomba
von Lucio Dalla.
    »Alles lange vor meiner Zeit«, sagte ich. »Aber die Veteranen werden sich freuen.«
    »Und das hier« – er hielt eine weitere Platte hoch – »ist eine Überraschung für Adelheid. Davon hat sie immer geschwärmt, wenn sie gut genug abgefüllt ist.«
    Ich vergeudete keinen Gedanken an die Zeitenfolge in Micks Satz; wen interessiert schon Grammatik angesichts der Zeitenfolge in seinen Musikschätzen? »Ist Adelheid da?«
    Er wies mit dem Kinn zum Flußufer. »Frisch gewaschen, gut gelaunt und nüchtern.« Er nahm ein paar andere Platten aus der Box und sortierte neue hinein; dann kramte er in seiner Tasche. Eine Umstellung von DM auf Euro hatte es für die Box nicht gegeben, aber es liefen ja immer noch genug alte Münzen um, und für das Gerät hatte Mick sowieso einen eigenen Vorrat.
    »Hör mal«, sagte ich. »Ich bin gleich mit einem Typen verabredet. Gorilla, Muckibude, ja? Guck ihn dir unauffällig an und sag mir dann, ob der schon mal hier war.«
    »Mach ich. Kölsch?«
    »Wie immer.«
    Adelheid mußte an die Achtzig sein, hielt sich aber immer noch tadellos, jedenfalls bis zum zwölften oder dreizehnten Bier. In den alten Zeiten, bevor jemand bei der Bahn auf den schwachsinnigen Gedanken gekommen war, den Lokus »McClean« zu nennen, war Adelheid Klofrau im Kölner Hauptbahnhof gewesen, und manchmal, wenn der Mond richtig stand und das elfte Kölsch mit der zweiten Flasche Persiko um ihre Zuneigung rang, erzählte sie bezaubernde Geschichten über Prominente – Schlagerstars, Politiker, Sportler – und ihre Pinkelgewohnheiten sowie sonstige Umtriebe in den gefliesten Hallen der Erleichterung.
    Mick zapfte. Aus der Schublade unter dem Gläserregal holte er ein Markstück und legte es mir auf den Tresen. »Drück mal die vierundvierzig«, sagte er. »Und irgendwas, was dir grad gefällt.«
    »Was ist vierundvierzig?«
    »Das Ding für Adelheid. Neue Zettel muß ich erst noch machen.«
    Ich ging zur Musikbox, warf die Mark ein, drückte 44 und, weil mir gerade danach war, 55, ohne hinzusehen.
    Mit den üblichen Knirschgeräuschen setzte sich das alte Gerät in Bewegung. Während ich zurück zum Tresen ging, setzten Harfenklänge ein. Vielleicht waren es auch Töne von Darmsaiten einer akustischen Gitarre. Jemand begann auf Spanisch zu singen, aber davon war kaum etwas zu hören – weniger, weil die alte Scheibe ein bißchen

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