finde-mich-sofort.de (German Edition)
lächelt mich an. Sofort fühle ich mich ertappt und wende meine Aufmerksamkeit wieder dem Wohnbereich zu. Auf dem braunen Zweisitzer in der anderen Ecke des Zimmers liegen weiße Kissen und eine weinrote Kuscheldecke. Neben mir, auf dem ebenfalls von riesigen Stumpenkerzen beleuchteten Esstisch stehen Weingläser und Teller, daneben Servietten und Besteck. Beschämt denke ich an mein Sammelsurium an Geschirr und Bestecken, alles im Laufe der Jahre von Oma und Freunden gesammelt. Kochen und das Drumherum interessiert mich leider nicht besonders, und so sieht es in meinen Küchenschränken aus.
Carsten kredenzt die Vorspeise, angerichtet und auf dem Teller drapiert wie in einem teuren Restaurant. Wir stoßen mit unseren Weingläsern an, und ich kann das alles irgendwie nicht fassen, nicht einordnen. Romantische Männer, die umsichtig, intelligent, belesen und einfühlsam sind, kochen können, Ordnung halten, interessiert und offen durchs Leben gehen und noch gut aussehen – träume ich? Solche Männer kenne ich zwar, die sind aber alle schwul. Heterosexuelle mit solchen Vorzügen gab es in meinen Jungmädchenträumen. Also, wo ist der Haken?
Die Vorspeise habe ich ratzeputz aufgegessen. »Das war sehr lecker!« lobe ich ihn.
Mit einem bescheidenen »Danke« reicht er mir einen großen weißen Teller mit dem Hauptgang. Fisch, Kartoffeln und Gemüse sind übersichtlich darauf angeordnet.
»Forelle im Gemüsebett«, sagt er, und ich muss grinsen. Die Forelle ist schon im Bett! 6
Der schlafende Fisch schmeckt so vorzüglich, dass ich mich zurückhalten muss, um nicht hintereinander weg alles in mich reinzuschlingen. Nachdem wir aufgegessen und abgeräumt haben, greifen wir zu unseren Zigaretten. Carsten gibt mir Feuer, und ich frage mich, ob er auch für mich entflammt sein könnte.
Mit der Zigarette und dem Weinglas in der Hand gehe ich zum großen Fenster, das die ganze Wand des Zimmers einnimmt. Es ließe sich öffnen, denn dahinter befindet sich ein Austritt. Dafür ist es heute viel zu kalt. Carsten tritt ganz nah hinter mich, ich rieche sein Parfüm – es könnte Allure sein – und beglückwünsche mich zu unserer Pheromonkompatibilität. Wir schauen auf das nächtliche Berlin. Überall Lichter und Farben, nur direkt unter uns bilden die Bäume des Tiergartens eine große schwarze Fläche.
Unsere Körper berühren sich nicht, aber ich kann ihn spüren, und seine Nähe tut mir gut. Ich denke nicht, wie sonst in ähnlichen Situationen, an den wilden Austausch von Körperflüssigkeiten auf Kühlerhauben schicker Limosinen. Diesmal spielen meine Hormone nicht verrückt, sie klopfen nur vorsichtig an. Meine Sehnsucht nach Carsten ist eher still, entspannt und wie mit Federn gestreichelt.
Dicht neben meinem Ohr sagt er leise: »Und, was machen wir jetzt?«
Mit heiserer Stimme, nicht zu ihm, sondern auf den eisklaren Winterhimmel schauend, antworte ich: »Ich bin so wohlig satt und müde. Mein Schnupfen drückt immer noch im Kopf!«
Carsten guckt mich unternehmungslustig an.
»Bitte verstehe mich nicht falsch«, sage ich ungewohnt leise und zurückhaltend, »aber ich bin irgendwie matt. Wollen wir nicht einfach hier bleiben und quatschen?«
Carsten ist sofort einverstanden. Wir setzen uns aufs Sofa und haben uns wirklich viel zu erzählen. Ich freue mich, dass er offen und um keine Antwort verlegen ist, anscheinend gern mit mir redet und unglaublich gute Laune verbreitet. Wir sitzen nebeneinander, jeder in einer Ecke der Ledercouch im Kerzenlicht, nippen an unseren Weingläsern, finden ständig neue Themen und kein Ende. Während die Zeit im Redefluss verrinnt, werden wir immer unruhiger in der Ahnung, dass wir irgendwann auch darüber sprechen müssen, wie und wo der Abend ausklingen soll. Ich habe zwischenzeitlich meine Stiefel ausgezogen, lümmle im Schneidersitz auf dem Sofa. Wir hocken einander gegenüber, getrennt durch unsere angezogenen Beine. Carsten wirkt nervös, schaut mich unter gesenkten Augenlidern an und flüstert zögerlich: »Ich habe das Gefühl, dich jetzt küssen zu müssen!«
Gar nicht überrascht rutsche ich ihm entgegen, indem ich mich auf meine Unterschenkel setze, und dann passiert er, der erste kurze, ein wenig ungelenke, aber leidenschaftliche Kuss. Es folgt betretene Stille. Ich schaue Carsten irritiert an, er guckt verträumt zurück. Zwischen uns wieder die Beine, ein großer Abstand und Verlegenheit.
»Es ist schon sehr spät«, sage ich und muss hüsteln, weil ich heiser
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