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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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hinuntergespült hatte –, glaubte er felsenfest daran, dass die Musik und nur die Musik seine wahre Berufung war.
    »Von heute an bin ich kein Geistlicher mehr, ich bin Trommler!«, hatte er gerufen.
    Dr. Oima seufzte. Sie fühlte sich schuldig. Schließlich hatte sie ihm die erste Rassel seines Lebens in die Altmännerhände gedrückt.
    Hm, ob Irmgard Seifferheld-Hölderlein bereit war, ein Leben als Groupie zu führen?
    Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden. (Marlon Brando)
    »Verdammte Scheiße! Kannst du gleich vorbeikommen?«
    Seifferheld konnte. Wenn Bärenmarkenbär Wurster so finster klang, musste es ernst sein.
    Mit der Linie 1 des Stadtbusunternehmens fuhr er zur Mordkommission, so ging es am schnellsten. Und dort fand Seifferheld auch heraus, warum tatsächlich keiner der Ex-Kollegen hatte Radio hören können. Sie saßen alle erwatungsvoll vor dem Bildschirm.
    »Gut, dass Sie hier sind«, begrüßte ihn die Polizeichefin Frau Bauer. »Eine Tasse Kaffee? Sie trinken ihn mit Milch und zwei Zucker, stimmt’s?«
    Die Polizeichefin merkte sich alles, sogar Banalitäten. Hatte sie wahrscheinlich in einem Seminar für Führungskräfte gelernt: sich immer alle Namen merken, hin und wieder mit einem festen Handschlag oder einem Schultertätscheln Körperkontakt herstellen und kleine Angewohnheiten der Mitarbeiter registrieren. Wahrscheinlich war deswegen
sie
die Polizeichefin geworden und nicht, sagen wir mal, er. Aber natürlich holte sie ihm den Kaffee mit Milch und zwei Zucker nicht persönlich.
    »Frau Denner, Kaffee für Herrn Seifferheld bitte.« An ihn gewandt, fuhr sie fort: »Wir können jeden Mann brauchen. Vielleicht fällt Ihnen ja etwas auf, was wir anderen übersehen haben. Die Aufnahme ist offenbar gestern Abend, direkt nach der Entführung entstanden.«
    »Nur noch mal zur Sicherheit«, erkundigte sich Seifferheld rasch bei ihr, bevor sie sich setzten und es losging. »Kann es sein, dass Mohandra Johar schon
vor
gestern Mittag in Hall war?«
    Frau Bauer sah ihn ausdruckslos an. Diesen ausdruckslosen Blick lernte man bestimmt auch im Führungskräfteseminar. Nur nicht durchblicken lassen, dass man seine Untergebenen für Idioten hielt.
    »Herr Johar kam quasi direkt aus Indien. Er hat nur kurz in Berlin übernachtet und flog dann gleich weiter zu uns. Das hat das BKA zweifelsfrei festgestellt. Unterwegs gab es keinen Kontakt zu Drittpersonen, keine Drohungen, nichts.«
    Seifferheld nickte. Sunil musste sich geirrt haben, ganz klar.
    Ungefähr zwanzig Mann – und eine Frau – hatten ihre Stühle im Halbkreis um einen Fernseher gruppiert, Frau Denner legte ein Video ein, und dann ging es los.
    In der Bildmitte sah man den indischen Kulturattaché Mohandra Johar. Er kauerte in seinem maßgeschneiderten Anzug auf einem Hocker, die Hände gefesselt im Schoß. Hinter ihm hatte man ein weißes Bettlaken gespannt. Er wirkte gefasst, als er sagte: »Bitte, meine Entführer verlangen fünf Millionen US -Dollar.« Er sagte es auf Deutsch, Englisch und Hindi und gab noch genaue Anweisungen, auf welches Offshore-Konto auf den Cayman-Inseln die Summe einzuzahlen sei.
    »Kann man nicht am Konto sehen, wem es gehört?«, fragte Bauer zwo, der unter Wirtschaftskriminalität nur Zechprellerei verstand und von Konten keine Ahnung hatte.
    »Schön wär’s«, sagte seine Chefin. »Nein, das Geld wird im selben Augenblick, in dem es dem Konto gutgeschrieben wird, auch schon weitertransferiert, von Konto zu Konto zu Konto. Natürlich lauter Scheinfirmen. Das zu verfolgen ist mühsam und dauert ewig, weil man für jedes Konto einen separaten Gerichtsbeschluss benötigt. Das müssen internationale Profis sein. Die machen das wahrscheinlich nicht zum ersten Mal.«
    Seifferheld tat der Inder leid. Ihm schwante Ungutes. Internationale Profis konnten keine Zeugen brauchen. Vermutlich würden sie den Kulturattaché, Rani und Ranis Vater niemals wiedersehen.
    Also, nicht am Stück.
    Will heißen, nicht lebend …

Mitternacht
    Jambo!
    Die traditionelle Musik Ostafrikas bildete üblicherweise eine Einheit aus Tanz, Religion und Ritualen. Frei interpretiert konnte man aber natürlich auch zu Ehren des christlichen Gottes trommeln, was das Zeug hielt.
    Und genau das tat Helmerich Hölderlein. Er trommelte sich (seines Anzugs entledigt in bunter, einheimischer Tracht) in Ekstase, zum Lob des Höchsten.
    Er trommelte nicht wirklich gut, das war ihm schon klar, dafür aber umso lauter und mit

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