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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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»Living-la-vida-locker«, dieses sich Treibenlassen im Strom des Lebens. Der afrikanischen Seele waren Hektik, Stress und Penibeltum fremd.
    Bis vor ganz kurzem zumindest.
    Bis Helmerich Hölderlein über Afrika hereingebrochen war.
    Sie war lange genug locker gewesen, dachte Dr. Oima. Jetzt musste eine feste Hand her.
    Die Kranken und ihre Familien, das Personal und deren Familien, ja sogar die Dorfbewohner hatten eine Petition verfasst, unterschrieben (Zweiundzwanzig Blatt Papier mit Unterschriften) und bei ihr als Leiterin des Krankenhauses eingereicht. Und sie alle hatten nur einen Wunsch: Helmerich Hölderlein musste weg!
    »Jetzt weiß ich endlich, warum ich als kleiner Junge so begeistert
Daktari
geschaut habe«, freute sich Hölderlein, der ihr gegenüber in dem kleinen Büro saß und Akten ordnete. An diesem Morgen war ein Container mit Verbandsmaterial, Medikamenten und einem Zahnarztstuhl im Buschkrankenhaus eingetroffen, und es galt, noch einiges an Dokumenten zu kopieren und abzuheften, bevor er wieder trommeln und neue Schlagabfolgen lernen konnte. »Afrika ist meine wahre Heimat. Hier schlägt mein Herz.«
    Dr. Oima lächelte unverbindlich.
    »Ich werde hierbleiben und den Menschen helfen. Ich werde Moskitonetze, Zahnbürsten und Kondome verteilen und über HIV , Pilze und Malaria aufklären. Was immer anfällt. Und ich werde trommeln, trommeln, trommeln!«
    Er wirbelte auf seinem Stuhl zu der kleinen Trommel herum, die er seit neuestem immer mit sich führte, und stimmte ein kurzes, atonales Solo an.
    »Ruhe!«, brüllte jemand aus dem Nebenzimmer rechts, aber er brüllte es auf Swahili und deshalb hielt Hölderlein es für einen Anfeuerungsruf und trommelte noch leidenschaftlicher und lauter.
    Dr. Oima wartete ab.
    Aus dem Nebenzimmer links schlug jemand gegen die Wand, was Hölderlein als Aufforderung verstand, mit seinem erzürnten Nachbarn im Takt zu trommeln.
    »Afrikas Blut fließt durch meine Adern«, rief er über das hinweg, was wohl die Melodie sein sollte. »Ich lasse meine Irmgard nachkommen. Wir werden unseren Lebensabend hier verbringen. Ich spüre, der Herr will mich hierhaben!«
    Der Herr vielleicht, aber die Menschen nicht, und die Tiere auch nicht,
dachte Dr. Oima. Seit Helmerich trommelte, hatte man in der Umgebung des Krankenhauses kein Wildtier mehr gesichtet.
    Dr. Oima wusste nicht, was schlimmer war. Seine anfänglichen Schwefelgaswolken oder die infernalische, absolut und völlig unmusikalische Trommelei, in die er jetzt alle paar Minuten ausbrach.
    Was ihm an Können fehlte, machte er durch Krafteinsatz wett. Dr. Oimas Vorfahren hatten sich früher mit Buschtrommeln von Dorf zu Dorf verständigt. So gesehen war Pfarrer Hölderlein eine Breitbandverbindung, die man, wenn der Wind entsprechend stand, quer durch die Provinz Nyanza über den Victoriasee hinweg bis nach Uganda hören konnte. Nein, sie übertrieb nicht, sie hatte diesbezüglich schon einen sehr ärgerlichen Telefonanruf erhalten.
    »Herr Pfarrer«, sagte sie, als er eine kurze Trommelpause einlegte, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, »Herr Pfarrer, vielleicht möchte Ihre Frau gar nicht nach Afrika ziehen? Alte Bäume sollte man ohnehin nicht verpflanzen, nicht wahr?«
    Hölderlein focht das nicht weiter an. »Der Platz der Frau ist an der Seite ihres Mannes, meine Irmi weiß das.«
    Dr. Oima seufzte. Sie hatte es im Guten versucht, aber es half alles nichts. »Herr Pfarrer, Sie müssen noch sehr viel üben, wenn Sie ein guter Trommler werden wollen.«
    Hölderlein strahlte. Ihm war das Ausmaß seiner Unfähigkeit an Percussioninstrumenten jedweder Art nicht bewusst, er wähnte sich als talentierten Anfänger. Wie schon der Buddha sagte: Der Hörende hört eben immer nur das, was der Hörende zu hören bereit ist. Ihm dünkte, dass er mit etwas Übung ein veritabler Ringo Starr werden konnte. »Das weiß ich. Deswegen übe ich ja Tag und Nacht an der Trommel.«
    Auch das war keine Übertreibung, was sämtliche Buschkrankenhäusler nach drei durchwachten Nächten lebhaft bezeugen konnten.
    »Sehr lobenswert, Herr Pfarrer, aber ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie hier bei uns nicht weiter üben können.« Dr. Oima stand auf und strich sich ihren strahlend weißen Kittel glatt. »Ich möchte Sie bitten, vorzeitig wieder abzureisen. Wie soll ich es ausdrücken? Ich fürchte, die Chemie stimmt nicht. Unsere beiden Bischöfe habe ich schon verständigt.«
    Sie brachte es nicht über sich, ihm in

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