Finger, Hut und Teufelsbrut
diesem Haus keinen Anstand mehr?«
Seifferheld und Onis zuckten zusammen, MaC richtete sich in aller Seelenruhe auf, drehte sich um und sah Irmi aus verklebten Augen an.
Im Film würde in einem solchen Moment Morricone-Musik einsetzen. Irgendetwas High-Noon-mäßiges, das einem Gänsehaut bescherte und Schauer über den Rücken jagte, weil man wusste, dass es gleich ein Duell geben und einer der beiden Westernhelden in den Staub beißen würde. Natürlich nicht der, dem man das Happy-End mit der blonden Heldin wünschte.
Auf der einen Seite stand MaC mit der Kaffeesahne in der Hand, bewaffnungstechnisch eindeutig im Vorteil. Auf der anderen Seite Irmgard, unbewaffnet, aber angezogen und daher moralisch im Recht.
Die Augen von Seifferheld und Onis huschten hin und her.
Früher hätte Seifferheld eingreifen, schlichten wollen, hätte sich aber nicht getraut, weil er wusste, dass sich die Kontrahentinnen dann zusammentun und sich gegen ihn verbinden würden und dass er als vermeintlich starkes Geschlecht keine Chance gegen die zwei zornigen Frauen gehabt hätte. Mittlerweile wollte Seifferheld schon lange nicht mehr eingreifen, weil er es viel unterhaltsamer fand, den Frauen beim Streiten zuzusehen. Er lehnte sich auf dem Thonet-Küchenstuhl zurück und setzte sein Mostglas an die Lippen. Wie gern hätte er jetzt mit jemandem gewettet, welche der beiden Frauen gewinnen würde.
Aber es gab kein Duell.
Es lag nur etwa dreißig Sekunden lang elektrisch aufgeladene Spannung in der Luft, dann plötzlich löste sich das unsichtbare Knistern auf.
Irmgard war nämlich noch vom alten Schrot und Korn. Das hier war nicht mehr ihr Heim. Ihr Heim war bei ihrem Gatten. Hier hingegen hatte MaC – als Konkubine ihres Bruders – nun das Sagen.
Also schüttelte Irmgard nur missbilligend den Kopf, ließ ihren Blick noch einmal dezidiert kritisch über MaC gleiten und schritt dann an ihr vorbei zum noch geöffneten Kühlschrank.
»Wirklich, ihr fresst wie die Scheunendrescher. Der Kühlschrank ist ja schon wieder so gut wie leer. Ich habe doch gestern erst eingekauft«, nörgelte Irmgard, die ihrem Ärger irgendwie Luft machen musste, weil sie sonst aufgrund innerer Überhitzung durchgeschmort wäre.
»Ich bin auf Diät und habe hier nichts gegessen«, brummte MaC, nicht böse, nur eben immer noch im Halbschlaf. Sie war die Siegerin des Duells, wie sie sehr wohl wusste, und konnte es sich daher erlauben, sich versöhnlich zu geben.
»Da, der Brotschrank, auch leer!«, schimpfte Irmgard. »Was soll ich jetzt bitte schön frühstücken?«
»Das wird Karina gewesen sein, bevor sie gestern gegangen ist. Felas Kühlschrank ist ja immer leer, da hat sie bestimmt ein paar Sachen mitgenommen«, meinte Seifferheld schlichtend. Er selbst hatte seit gestern auch nichts gegessen, weil ihn seine Hosen zwackten.
Insgeheim glaubte er, dass seine Schwester maßlos übertrieb. Vermutlich hatte sie gerade mal einen viertel Laib Weizenbrot und etwas Gelbwurst erstanden. Das verspachtelte seine Nichte Karina lässig im Vorbeigehen. Sie war jung, hatte einen enorm aktiven Stoffwechsel und aß deshalb für zehn, selbst wenn sie nicht stillte. Und derzeit stillte sie ja.
»Ich bin hier nicht das Heinzelmännchen, das euch im Futter hält«, beschwerte sich Irmgard.
»Wenn du uns im Futter halten würdest, dann nur, um uns wie die Hexe der Gebrüder Grimm irgendwann zu verspeisen«, erklärte MaC. Die Phase der Versöhnlichkeit hatte nicht lange vorgehalten. Wäre ja auch zu schön gewesen.
»Und das aus dem Mund einer halb Nackten. Wo doch Kinder im Haus sind«, empörte sich Irmgard.
»Kinder? Etwa Fela junior? Der ist nicht da. Außerdem kennt ein Neugeborenes noch keine Scham. Und ich frage mich mittlerweile ernsthaft, ob Helmerich wirklich die Afrikaner missionieren will … Viel wahrscheinlicher ist doch, dass er vor deinem Gekeife auf einen anderen Kontinent geflohen ist.«
Irmgard war kurz sprachlos. Dann bedachte sie MaC mit einem extrem unterkühlten Blick.
Die Welt wusste es noch nicht, aber das Problem der Erderwärmung war gelöst: Eine neue Eiszeit zog auf. Und Irmgard Seifferheld-Hölderlein war ihr Nukleus.
MaC zuckte nur mit den Schultern, wobei ihr Bigshirt neckisch nach oben rutschte.
Clarence, der schielende Löwe, lebt!
In Afrika ticken die Uhren anders.
Was Dr. Oima während ihres Studiums in Deutschland am meisten vermisst hatte, war die afrikanische Gelassenheit, dieses »Laisser-faire«, dieses
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