Finger weg Herr Doktor!
für eine Krankenschwester sind sie nicht einmal annähernd erschwinglich. Das muß ja -« Sie biß sich auf die Lippe. »Ich weiß, das sollte ich nicht sagen, aber das muß ja ein Vermögen gekostet haben.«
»Was bedeutet denn jetzt noch Geld?«
Sie senkte den Blick. »Es tut mir leid«, sagte sie leise, »ich hatte es ganz vergessen.«
»Tottie«, schlug Sir Lancelot vor, »wie wär’s, wenn wir eine Woche miteinander wegführen?«
Sie sah ihn überrascht an.
»Jetzt«, fuhr er fort, »morgen.«
»Aber... aber, Lancelot, was würden die Leute sagen?«
Er lächelte überlegen. »Was würden die Leute schon erfahren? Soweit ich mich erinnere, waren wir ziemlich tüchtig in der heute unbekannten Kunst der amourösen Diskretion.«
»Ich... ich, nein, das geht nicht.«
»Warum?«
»Nun... ich könnte bestimmt keinen Urlaub bekommen.«
»Kleinigkeit«, murmelte Sir Lancelot.
»Es wäre nicht recht.«
»Muß unsere Altersgruppe immer die ganze Moral am Halse haben, während die Jungen den ganzen Spaß haben? Das scheint mir eine höchst ungerechte Aufteilung.«
»Ich meine, Leute in unserer Stellung. Du als konsultierender Chirurg im St. Swithin und ich, die ich mit der Aufsicht über die Schwestern betraut bin.« Sie zögerte. »An welchen Ort dachtest du denn?« fragte sie schwach.
»An Le Touquet. Dover genau gegenüber auf der anderen Seite des Kanals. Recht kalt zu dieser Jahreszeit, aber vor dem 14. Juli niemals überfüllt. Ich hab’ den Ort gern. Altmodisch, aber unverwechselbar Frankreich - Knoblauch, escargots, ellenlange Brote und alles, was sonst noch dazu gehört.«
»Wo... wo könnten wir unauffällig wohnen?« fragte sie zögernd weiter.
»Ich kenne ein ruhiges kleines Hotel, wo man uns kaum bemerken wird. Ich war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr dort, das Personal würde mich nicht mehr erkennen. Es gibt ein paar sehr anständige Restaurants, und wenn’s uns Spaß macht, können wir einen Abstecher ins Kasino machen oder sogar tanzen gehen.« Er lachte leise. »Hab’ seit Jahren nicht mehr getanzt. Wenn du dich erinnerst, ich habe mich beim guten alten Rumba ganz geschickt angestellt.«
»Nein, Lancelot«, sagte sie ruhig.
Er nahm ihre Hand, die auf dem Tischtuch lag. »Tottie, ich habe dich damals geliebt, damals. im Krönungsjahr. Ich liebe dich auch jetzt.«
Wieder senkte sie den Blick. Wie ein junges Mädchen, fand er. »Ich möchte dir etwas sagen: hätte ich Aussicht, weiterzuleben, und nicht so rasch zu sterben, wie es bedauerlicherweise der Fall ist, würde ich dich höchstwahrscheinlich bitten, meine Frau zu werden. Hättest du unter solchen, glücklicheren Umständen >ja< gesagt?«
Es herrschte Schweigen. Sie nickte abwesend.
»Über all diesen Dingen werden wir ja ganz trübselig«, meinte Sir Lancelot wieder heiter. »Los, Tottie, komm mit! Wenn wir finden, daß wir einen Fehler gemacht haben, gibt’s in Le Touquet auch einen ausgezeichneten Golfplatz.«
Sie lächelte. »Ich könnte auch Spielkarten mitnehmen.«
11
Der Dean hatte ein gutes Frühstück immer schon geschätzt. Zu Hause war er meist der erste im Eßzimmer und setzte sich händereibend und lächelnd zu seinen Cornflakes, voll Freude über den bewegten Tag, der am Krankenbett und am Konferenztisch vor ihm lag. Aber eine Woche später, an einem Freitagmorgen, war er nach dem Weckerläuten wieder eingedöst, und als er das sonnige Eßzimmer betrat, fand er seine Gattin, Sohn George und Tochter Muriel schon bei Tisch. Mit einem kurzen, resignierten Blick erkannten die drei an den verkniffenen Lippen und den gerunzelten Brauen, daß die Verzögerung ihn in schlechte Laune versetzt hatte.
Während er seinen Sessel nahm, begrüßte er sie mit einem Knurren. Seine Frau vertiefte sich weise in den Guardian. George und Muriel aßen schweigend und blickten vor sich hin. Der Dean begann eilends, wie ein Hase seinen Klee, die Cornflakes zu vertilgen. Dann griff er nach dem ersten Brief seiner Morgenpost, die Miss MacNish auf die sorgfältig gefaltete Times gelegt hatte.
»Was soll das?« schrie er wütend. »Ist da einer irrsinnig geworden? Man bedauert, keine Verwendung für mein Fernsehmanuskript zu haben, doch zeige es Begabung, und man dankt mir für die Zusendung. Ich habe keine Manuskripte fürs Fernsehen geschrieben, oder?« fragte er außer sich, während er mit seinen bebrillten Augen neuerlich wütend den Umschlag betrachtete. Der Brief zitterte in seiner Hand. »Er ist an dich adressiert,
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