Finger weg Herr Doktor!
mit Muriel los? Ich frage mich schon, ob sie Tbc erwischt hat oder sonst was. Oder sollte sie vielleicht zum Psychiater gehen?«
»Oh, sie ist verliebt.«
»Was?!« Der Dean war erstaunt. »Muriel? Das kann doch nicht wahr sein.« Er starrte auf seinen Toast. »Immerhin, ich hätte gar nicht gedacht, daß sich die Jungen heute noch verlieben. Sie tun sich nur zusammen und stoßen animalische Schreie aus. Ewig schade, daß das Flirten eine ausgestorbene Kunst geworden ist. Du und ich, wir hatten noch richtig Spaß. Tanzen und Theater, Bonbonnieren und all das!«
Josephine faltete bedächtig die Morgenzeitung zusammen.
»Solange du mir den Hof gemacht hast, ja! Aber wann hast du mich zum letztenmal ins Theater geführt? Oder zum Tanzen? Oder daran gedacht, mir eine Bonbonniere zu kaufen?«
»Aber, Liebling! Schokolade bedeutet doch Kalorien; wenn wir die modernen Tänze probierten, würden wir furchtbar lächerlich wirken, und das Theater ist degeneriert.« Plötzlich schien er beschämt. »Ich hoffe, ich bin dir ein guter Ehemann? Zumindest bemühe ich mich.«
»Ja, in mancher Hinsicht bist du ausgezeichnet.«
»Du kannst mir also etwas vorwerfen? Sag mir’s doch! Ich werde mich bemühen, es besser zu machen!«
»Findest du mich eigentlich attraktiv?«
»Gewiß. Du ziehst dich sehr gut an und gehst zu einem sündhaft teuren Friseur.«
»Ich meine sexuell, nicht ausstattungsmäßig!«
Der Dean blickte unbehaglich drein. »Müssen wir so etwas beim Frühstück erörtern?«
»Nun, das ist interessanter als der medizinische Fachausschuß, der sonst unser Gesprächsthema bildet.«
»Ja, ich finde dich attraktiv! Warum fragst du?«
»Du magst, wie du deinen Studenten immer zu sagen pflegst, stark in der Theorie sein, lieber Lionel, aber du knauserst mit der Praxis!«
»Aber ich habe in diesen Tagen immer so viel im Kopf!« Er stand mit entschlossener Miene auf. »Meine liebe Josephine, ich werde mich bestimmt erinnern, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Ja, bestimmt. Heute abend. Jetzt bin ich schon spät dran für eine Verabredung im Ministerium. Heute abend, heute Abend, ganz todsicher heute abend. Unfehlbar. Hm - sollte es geschehen, daß ich es vergesse, würdest du mich bitte daran erinnern?« Er küßte sie leicht auf den Scheitel und hastete davon.
Während er seinen Jaguar zum Ministerium in Whitehall lenkte, fuhren George und Muriel per Rad nach St. Swithin und gingen getrennt in ihre verschiedenen Vorlesungen. Aber die Tochter des Deans begab sich nicht in den Pharmakologiesaal. Sie wartete, bis George außer Sicht war, drehte sich dann um, rannte aus dem Spital, schritt rasch die Hauptstraße hinunter, bog in eine düstere Seitenstraße ein und ging auf ein kleines Lokal mit beschlagenem Außenfenster zu, auf das mit weißer Farbe TEE, EIER UND CHIPS geschmiert war.
Das Café war leer. Sie setzte sich an einen fleckigen Tisch und bestellte bei dem Mann hinter der Kasse eine Tasse Tee. Sie ließ ihn unberührt vor sich stehen und klopfte aufgeregt mit dem Fuß auf den Boden. Sie schaute auf ihre große Armbanduhr. Sie fand, sie hätte nicht kommen sollen. Es war dumm, reiner Zeitverlust. Sie wurde immer wütender und war im Begriffe zu gehen, als die Tür aufging und Terry Summerbee eintrat.
»Hallo, Liebste«, sagte er heiter, »tut mir leid, daß ich zu spät komme.«
Er bestellte eine Tasse Tee und setzte sich. Muriel sagte nichts.
»Was ist los?«
»Das weißt du genau.«
Terry setzte eine Unschuldsmiene auf. »Was denn?«
»Dieses Mädchen.«
»Was für ein Mädchen?«
»Vom Röntgen.«
»Ach, dieses Mädel!« Er lächelte. »Schau, Liebste, das kann ich dir ganz genau erklären -«
»Das wird nicht notwendig sein. Ich weiß schon alles. Es macht die Runde im ganzen Spital. Du mußt schön blöd sein, wenn du glaubst, du kannst am Haupttor ein weibliches Wesen mit einem Rolls-Royce abholen, ohne daß es irgendwer bemerkt. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben. Jetzt weiß ich, daß es wahr ist. Du hast sie nicht nur im Rolls-Royce spazierengeführt, sondern sie auch ins Crécy-Hotel zum Abendessen eingeladen.« Muriels Lippen zitterten. »Und mich führst du nur in Schnellimbißstuben.«
»Woher hast du das alles?« fragte er beunruhigt.
»Dr. Grimsdyke erzählte die ganze Geschichte bei einer Visite.« Sie zog ihr Taschentuch heraus und schnob heftig. »Alle lachten sich halbtot.«
»Schau, Muriel, Liebste, diese Stella spricht nicht einmal mehr mit mir.«
Er legte
Weitere Kostenlose Bücher