Finger weg Herr Doktor!
Grabesstimme.
Einige Minuten lang starrte er mit leerem Blick auf die Überreste seines Frühstücks. »Ich fühle mich so alt«, murmelte er, »so alt. Und soll heiraten. Freitag in einer Woche. O Gott!«
20
Kurz vor sechs Uhr abends fuhr Eric Cavendish in seinem Mercedes eine Straße in Chelsea hinunter, die zu Godfris Atelier in der umgebauten Garage führte. Wie in allen Seitenstraßen Londons war die Bordkante von einer ununterbrochenen Reihe parkender Wagen gesäumt, in denen der Chauffeur hoffnungsvoll nach einer Lücke suchte.
»Bleiben Sie hier einen Augenblick in zweiter Spur stehen«, wies ihn der Schauspieler an. »Wenn sich ein Polizist zeigt, sagen Sie nur, der Wagen gehört Eric Cavendish.«
Er kletterte heraus und schnippte ein Staubkorn von seinem modischen neuen Anzug. Auf diesen Abend hatte er sich mit besonderer Sorgfalt vorbereitet. Er hatte für seine letzten Tage in Dr. de Hoots Klinik bei den Injektionen um doppelte Dosis gebeten, und jedesmal, wenn sich die Nadel in sein Fleisch bohrte, dachte er an die zwanzigjährige Stella.
Er zwängte sich zwischen zwei Autos hindurch, wanderte beschwingt ein Stück den Gehsteig entlang und bog dann in eine kurze Gasse ein, die zum Studio führte. Er bemerkte zwei Männer in weißen Mänteln, die mitten auf dem Gehsteig standen. Zwischen ihnen stand auf dem Boden eine weißgestrichene Metalltrommel von der Größe eines Bierfasses. Offensichtlich lauschten sie mit gespannter Aufmerksamkeit an dem Gegenstand.
»Guten Abend!« rief er freundlich.
»Oh, Sir!« rief einer der Weißgekleideten aufgeregt, »wissen Sie, wo Sie sich befinden?«
»In Chelsea, London, meiner Meinung nach.«
»Wie schrecklich!« rief der andere aus, »Sie sind direkt hereingeschritten.«
Eric Cavendish blieb stirnrunzelnd stehen. »In was?«
»Haben Sie denn nicht gesehen?« fragte der erste eindringlich. »Die Warnung?«
Eric Cavendishs Blick folgte dem ausgestreckten Finger in Richtung eines großen weißen Schildes, das an die gegenüberliegende Wand gelehnt war:
STADTPOLIZEI
GEFAHR!
RADIOAKTIVITÄT
NICHT WEITERGEHEN!
»Was ist das?« fragte er verblüfft. »Ist eine Bombe explodiert oder was?«
»Ein Unfall«, sagte der zweite, »ein höchst unseliger Unfall. Transportwagen fuhr Radioisotopen in Spital - Zusammenstoß mit Taxi - gerade hier an der Ecke - Behälter zerbrochen - Zeug hier ausgeschüttet.«
»Es ist Jodium 131.«
»Sendet Beta- und Gammastrahlen aus.«
»Halbwertszeit acht Tage.«
»Lagert sich in der Schilddrüse ab.«
»Besteht Gefahr?« fragte Eric Cavendish stammelnd den Kleineren der beiden.
»Gefahr!« Terry Summerbee lachte kurz auf. »Er fragt, ob Gefahr besteht, Doktor!«
»Ich möchte nicht in der Haut des armen Teufels stecken, Doktor!« pflichtete Ken Kerrberry schneidend bei.
»Das ist der Geigerzähler«, Terry wies auf das Metallfaß. »Hören Sie nur!«
Eric Cavendish hielt den Atem an. Er hörte ein Ticken wie von einem billigen Wecker.
»Einen Augenblick...« Der Schauspieler schaute ängstlich von einem zu anderen. Sie waren offensichtlich Ärzte. Stethoskope lugten aus ihren Manteltaschen. Sie waren jung, aber das waren diese cleveren Radiologen wohl alle. Sie drückten sich außerordentlich gelehrt aus.
»Aber was ist mit Ihnen?« fragte er. »Müßten Sie nicht angezogen sein wie Astronauten?«
»W i r sind in Ordnung«, erklärte ihm Terry. »Wir haben das Gegenmittel genommen.«
»Carbonium 14«, sagte Ken kurz. »Halbwertszeit fünftausendsechshundert Jahre.«
»Aber... aber was sind die Folgen?«
»Sterilität, Störung des Keimplasmas und Impotenz.«
»O nein!«
»Das ist nur der Anfang«, fügte Terry hinzu. »Die langfristigen Folgen möchte ich lieber gar nicht erwähnen.«
»Was soll ich denn tun?« jammerte Eric Cavendish verzweifelt.
»Gott sei Dank können wir Sie retten!«
»Sie müssen sofort entseucht werden.«
»Ich will alles tun, Doktor... aber gerade jetzt«, erinnerte er sich, »habe ich eine Verabredung.«
»Sofort!« wiederholte Ken, »oder ich kann für die Folgen keine Verantwortung übernehmen.«
»Ich auch nicht«, pflichtete Terry bei, »weder für Sie noch für Ihre ungeborenen Nachkommen.«
»Da kommt schon der Rettungswagen.«
»Dank sei dem Himmel, Doktor! Der Patient hat Glück.«
»Kein Augenblick zu verlieren!«
»Es könnte schon zu spät sein!«
Eric Cavendish blickte ängstlich nach dem Ateliereingang, dann auf den Rettungswagen, der verkehrt in die
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