Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Weiglein
Vom Netzwerk:
Kopf. Nach ein paar weiteren Fragen bedankte er sich und legte auf.
    »Das war Hansen, der Chefredakteur vom TAGESGESCHEHEN . Er hat einen Anruf von einer anscheinend recht alten Dame namens Miriam Eisen erhalten. Frau Eisen behauptet, sie kenne das Gedicht vom Fingermann, wie auch das Kinderheim, in dem die Unfälle passiert sind.«
    »Welche Unfälle?«, fragte Tesic, während sie Arndt beobachtete. Der Obdachlose schien nervös zu sein.
    »Mehr Angaben konnte Hansen nicht machen. Die Leitung wurde unterbrochen, weil der Frau das Geld ausging. Sie hatte von einem öffentlichen Fernsprecher aus angerufen, da sie keinen eigenen Anschluss besitzt.«
    »Kein eigenes Telefon? Das ist ja wie im Mittelalter«, warf Bakker ein.
    »Stimmt. Die Dame hat anscheinend auch sonst einen seltsamen Eindruck hinterlassen. Hansen hält sie für nicht besonders vertrauenswürdig, oder anders gesagt: Er meint, sie spinnt.«
    »Na, toll. Da passt sie ja zu unserem studierten Penner«, stellte Bakker fest.
    Schorten strafte ihn mit einem missbilligenden Blick und fuhr fort: »Dennoch müssen wir dem Hinweis nachgehen. Frau Tesic, Sie werden mit Herrn Bakker die alte Dame aufsuchen.«
    Tesic nickte gleichmütig. Bakker hingegen grinste und sagte anzüglich: »Bin ich bei Frau Tesic eigentlich auch weisungsbefugt?«
    »Karl.« Schorten fixierte Bakker. »Jetzt reicht’s. Dein Ton gefällt mir nicht.«
    »War doch nur ein Scherz«, verteidigte sich Bakker. Diesmal konnte er jedoch nicht mit Schortens Nachsicht rechnen. Dessen Blick ruhte immer noch auf ihm, und Schortens Hand wischte imaginäre Staubpartikel vom Schreibtisch. Ein klares Zeichen seiner Anspannung. Gleich würde er seinen Mitarbeiter zusammenfalten.
    Bevor es jedoch zum Eklat kam, sagte Tesic: »Keine Sorge, Herr Schorten. Wir werden schon klarkommen.«
    Schorten atmete tief durch. »Gut. Kehren wir zu unserem Fall zurück. Also, das Kinderheim befindet sich bei Tromptow, das muss irgendwo zwischen Friedland und Anklam in Mecklenburg-Vorpommern liegen. Der Name des Heims lautet: Die Brücke. Die Fahrt dorthin dauert ein paar Stunden, ihr solltet also gleich aufbrechen.«
    Bakker murmelte etwas von Vorbereitungen und strebte sofort aus dem Büro. Schortens Maßregelung hatte ihm sichtlich zugesetzt.
    »So zieht der Entehrte von dannen.« Arndt grinste und erkundigte sich, ob er auch gehen könne. Schorten bejahte, woraufhin er in Begleitung eines Zivilbeamten, der für seine Überwachung zuständig war, den Raum verließ. Tesic wurde von Schorten aufgehalten.
    »Frau Tesic, auf ein Wort.«
    »Ja?«
    »Karl kann manchmal etwas unangenehm sein.«
    »Ich weiß. Ich arbeite ja schon fast ein Jahr mit ihm zusammen.«
    »Aber eigentlich ist er ein ganz umgänglicher Typ.«
    »Wenn Sie das sagen«, entgegnete Tesic trocken.
    Schorten suchte ihren Blick. »Falls es zu irgendwelchen Problemen kommt, müssen Sie mir das mitteilen. Differenzen im Team sind Gift für eine effektive Arbeit.«
    Tesic nickte und sagte: »Mal ganz ehrlich, Herr Schorten. Ich mag Bakker nicht. Das hindert mich aber nicht daran, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich bin da sehr pragmatisch.«
    »Gut«, sagte Schorten zufrieden. »Dann hätte ich noch etwas. Und zwar weiß Arndt, wo meine Tochter lebt und was sie macht. Haben Sie eine Ahnung, woher er diese Informationen haben könnte?«
    Ohne lange zu überlegen, antwortete Tesic: »Ihre Tochter gehört einer Generation an, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Geben Sie ihren Namen mal in eine Suchmaschine ein. Vielleicht hat sie eine eigene Website oder etwas Ähnliches. Die jungen Leute vertrauen dem Web oft mehr an als ihren Eltern.«
    Schorten nickte und verabschiedete Tesic. Er hielt große Stücke auf sie. Marion Tesic war integer und intelligent, und sie war ehrgeizig. Sie würde Karriere machen, da war er sich sicher. Nicht mehr lange, und sie würde Bakker überholen.
    Schorten setzte sich an seinen Schreibtisch und dachte einige Jahre zurück. Mit Bakker war er zusammen auf der Polizeihochschule gewesen. Seitdem verband sie so etwas wie eine Freundschaft. Früher hatten sie einige Abende miteinander verbracht, auch hatten sich ihre Familien ab und zu getroffen. Damals hatte er mit Bakkers Art kein Problem gehabt, aber jetzt ertrug er dessen Geschwätz kaum mehr. Sie beide hatten sich verändert. Bakker wurde zunehmend zynischer, und er selbst, er wurde immer konservativer. Seine Tochter hatte ihn einmal einen Spießer genannt. Selbst sein Hobby, das

Weitere Kostenlose Bücher