Fingermanns Rache
Ermittlers
oder
Warum leben, wenn das Sterben so schön ist?
Jetzt erfolgte ein Schnitt, und man sah Bakkers aufgeschwemmtes Gesicht in Großaufnahme. Es füllte den ganzen Bildschirm. Er lachte. Das Lachen Bakkers hörte man nicht. Es wurde durch eine einfältige Melodie überdeckt.
»Die eigentliche Tonspur wurde gelöscht. Ob ich sie wiederherstellen kann, weiß ich noch nicht«, erklärte Broghammer.
Nun zoomte die Kamera weg. Man sah eine in Schwarzlicht getauchte Bühne und ein breites, aus Stahlrohren gefertigtes Bett, auf dem Bakker saß, nackt. Marion schloss die Augen. Sie ertrug Bakkers Anblick nicht. Wieder glaubte sie, ihn zu riechen, seine feuchten Hände zu spüren. Nur mit Mühe unterdrückte sie den Drang wegzulaufen.
Wie aus weiter Ferne vernahm sie Broghammers Erklärungen: »Wie ihr seht, fesselt Bakker sich selbst. Die Frau gibt nur Anweisungen. Ihr Gesicht sieht man nie. Jetzt kommt die Schlinge. Sie ist etwas Besonderes. Jedes Mal, wenn er sich aufrichtet, zieht sie sich fester zu.«
»Was er wohl sagt?«, fragte Mendel.
»Weiß nicht, vielleicht kann ein Lippenleser helfen.«
»Dieses Lachen. Stand er unter Drogen?«
»Da müssen wir den Bericht der Gerichtsmedizin abwarten.«
»Was tut er jetzt? Wieso bleibt er nicht liegen? So stranguliert er sich doch selbst!« Mendel atmete hörbar aus. »Und was sind das für Zahlen am Bildrand?«
»Statistiken zu tödlichen Unfällen bei Sexspielen. Unten erscheint gleich die Quellenangabe.«
»Ist das ein Tattoo auf dem Rücken der Frau?«
»Wohl schon. Die Bildauswertung machen wir nachher.«
»Mein Gott, jetzt richtet er sich wieder auf, damit gibt er sich doch den Rest! Der erstickt vor unseren Augen.« Mendel rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Wie lange geht das denn noch? Und immer dieses Lachen. Bakker stirbt und genießt den Scheiß!«
Die lächerliche Melodie wiederholte sich in einer Endlosschleife. Bakker wurde von Krämpfen geschüttelt, seine Zunge trat hervor.
Irgendwann warnte Broghammer: »Jetzt nicht erschrecken.«
Prompt ertönte ein lärmender Tusch, und ein Chor sang »Halleluja«.
»Ist es jetzt vorbei?«
»Mit Bakker schon. Was noch folgt, ist der Abspann.«
»Was meinst du, ist das Mord?«
»Keine Ahnung. Auf jeden Fall unterlassene Hilfeleistung.«
Endlich endete die Musik. Der Stepptänzer erschien wieder im Bild. Er warf seinen Stock weg, fasste sich an den Hals und würgte sich. Dazu begann er in einem irrwitzigen Tempo zu tanzen. Zunge und Augen traten hervor. Im Todeskampf mit sich selbst taumelte er über die Bühne. In der Mitte angekommen, sank er auf die Knie. Sein Kopf ruckte hin und her. Er verlor seinen Hut, und die Haare fielen strähnig in sein Gesicht. Plötzlich erschlafften seine Züge, und er sackte zusammen. Die Kameralinse schloss sich langsam. Ein Text wurde eingeblendet:
Luftmangel kann tödlich sein.
Vergewaltigen auch.
Mendel schüttelte den Kopf. »Der oder die haben echt einen Stich. War das jetzt nur das Werk von irgendwelchen Perversen, oder steckt eine Botschaft dahinter?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Marion und hoffte, dass ihre Stimme nicht zitterte.
»Wir werden das Ganze noch ein paarmal anschauen müssen«, sagte Broghammer. »Es gibt einige Hinweise, die uns weiterbringen können.«
»Ist schon klar«, seufzte Mendel. »Bakker und ich waren zwar nicht gerade Freunde, aber das nimmt einen schon ganz schön mit.«
Mit aller Macht mahnte Marion sich zur Ruhe. Sie musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. Der Schlusstext des Videos war eine eindeutige Anspielung auf letzte Nacht. Von der versuchten Vergewaltigung wusste nur Arndt. Somit war er zweifellos an dem Mord beteiligt. Ihre Kollegen wollte sie nicht davon in Kenntnis setzten – noch nicht. Erst musste sie mit Arndt allein reden. Nervös fuhr sie sich durchs Haar. Ihre Hand zitterte tatsächlich.
»Ich werde mit Arndt sprechen«, sagte sie stockend. »Es muss noch geklärt werden, wie er die E-Mail mit dem Fortsetzungsroman an die Zeitung geschickt hat. Ihr kommt sicher auch ohne mich zurecht.«
Broghammer nickte. »Ist mein täglich Brot. Der USB -Stick wird noch auf alte, gelöschte Daten untersucht, und natürlich auch auf Spuren des Täters.«
»Wir machen das schon, keine Sorge, Marion«, ergänzte Mendel, der sich offensichtlich um sie sorgte.
Als Marion das Büro verlassen hatte, sagte er zu Broghammer: »Ich wusste gar nicht, dass sie Bakker so nahestand.«
*
Die Tür schlug
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