Fingermanns Rache
Herr Illsen. Hier ist sie viel nützlicher.«
Kai Mendel räusperte sich und sagte: »Eine Verbindung zu vergangenen Geschehnissen in dem Kinderheim lässt sich aber nicht von der Hand weisen, Frau Rensch. Vielleicht wollen sich die Entführer an ihrem Peiniger rächen. Man hört ja ziemlich viel über Misshandlungen in Kinderheimen.«
Hilde Rensch fixierte Mendel wie ein Raubtier sein Opfer. Lauernd fragte sie: »Und was soll Fabian Flaig damit zu tun haben? Als Peiniger kommt er wohl nicht in Frage, und da er keine Angehörigen hat, gibt es auch niemanden, der durch die Entführung erpresst oder geschädigt werden könnte.«
Erschrocken senkte Mendel seinen Blick, und Rensch fuhr mit einem mitleidigen Lächeln fort: »Herr Mendel, es reicht vollkommen, wenn Ihre Unterlagen geordnet sind. Alles andere überlassen Sie bitte uns.«
»Ich hab doch nur …« Mendel wurde rot und rang nach Worten.
»Ist schon gut, Herr Mendel. Ich begrüße es immer, wenn junge Mitarbeiter sich einbringen«, sagte Sandt und gab Mendel damit den Rest. Dann blickte Sandt wieder auf seine Uhr und sagte: »Es ist an der Zeit. Wir sollten gleich los, deshalb fasse ich unsere Strategie noch mal kurz zusammen. Erstens: Bestätigung der Entführung und dass Bakkers Tod damit in direktem Zusammenhang steht. Zweitens: Die Verbindung zum Kinderheim leugnen wir. Ebenso stellen wir die Angaben zum Aufenthaltsort der Entführer in Frage. Drittens: Die Panne um Wilbur Arndt halten wir möglichst klein. Nötigenfalls geben wir zu, dass nach ihm gefahndet wird. Viertens: Wir stellen Hauptkommissar Illsen als Leiter der Soko Flaig/Bakker vor. Noch Fragen?« Sandt blickte in die Runde. »Nein? Dann los.«
*
Durch eine Seitentür betraten sie den Pressekonferenzraum. Sofort setzte ein Blitzlichtgewitter ein. Alle Stühle waren belegt, viele Journalisten saßen auf dem Boden, die Luft war jetzt schon stickig. Mehrere Fernsehkameras verfolgten die Vertreter des LKA 1 und der verantwortlichen Staatsanwaltschaft auf dem Weg zum Podium. Als sich die erste Unruhe gelegt hatte, eröffnete Kriminaldirektor Sandt die Konferenz und begrüßte die Journalisten. Nach einer kurzen Einführung und der Vorstellung der Soko Flaig/Bakker stellte sich Sandt den Fragen.
»Die Behauptungen des BERLINER TAGESGESCHEHEN s treffen also zu?«
»Wie ich schon eingangs erwähnte, nur zum Teil. Dass sich die Gesuchten in Berlin in einer Industrieruine aufhalten, ist reine Spekulation.«
»Dann nehmen Sie die Hinweise der Entführer nicht ernst?«
»Natürlich verfolgen wir jede Spur, aber mit der gebotenen Vorsicht. Sie glauben doch nicht, dass die Entführer ihren Aufenthaltsort so leicht preisgeben. Im Übrigen warne ich ausdrücklich davor, hier etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Das sollte man der Polizei überlassen.«
»Warum bietet die Polizei den Verbrechern solch eine Plattform? Ich dachte, seit Gladbeck hätte hier ein Strategiewechsel stattgefunden.«
»In diesem Fall blieb uns keine andere Wahl. Außerdem war nicht abzusehen, dass die Entführung derartige Dimensionen annehmen würde.«
»Sie nehmen Bezug auf die Ermordung von Kriminalhauptkommissar Bakker, dessen Tod im BERLINER TAGESGESCHEHEN angekündigt wurde?«
»Unter anderem.«
»Warum haben Sie hier keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen? Unseren Informationen nach haben Sie die Texte zur Veröffentlichung freigegeben. Warum haben Sie diese folgenschwere Ankündigung übersehen? Wurde hier geschlampt? Wurde hier fahrlässig das Leben eines verdienten Beamten gefährdet?«
Sandt zögerte kurz und zeigte eine leichte Verunsicherung.
Illsen ergriff das Wort. »Sie sollten mit solchen Aussagen sehr vorsichtig sein. Der Tod von Karl Bakker geht uns allen sehr nah. Als wir diesen Teil der Entführungsgeschichte freigaben, haben wir alle in diesen Fall involvierten Beamten gewarnt. Leider konnten wir den Mord an dem Kollegen dennoch nicht verhindern.«
Mit dieser Notlüge, die Sandt hörbar ausatmen ließ, hatte Illsen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die nächste Frage galt ihm.
»Über die Umstände seines Todes gibt es nur Gerüchte. Können Sie uns hier Genaueres berichten?«
»Nein, beim jetzigen Stand der Ermittlungen nicht.«
»Was hat es mit dem ehemaligen Kinderheim Die Brücke auf sich? Anscheinend soll es dort in der Vergangenheit zu Misshandlungen gekommen sein. Bestehen hier Verbindungen zu der Entführung?«
Der Kriminaldirektor ergriff wieder das Wort. »Einen Zusammenhang zu der
Weitere Kostenlose Bücher