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Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Weiglein
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sein angewidertes Gesicht wider. Du musst das Ganze wie eine Routinedurchsuchung betrachten, befahl Schorten sich und tastete in seinen Taschen nach Einweghandschuhen. Natürlich hatte er keine dabei, auf so etwas war er nicht vorbereitet.
    Den Käfig öffnete er umständlich mit seinem Jackenärmel. An den Gitterstäben hing ein Latexanzug mit Gummimaske. Der Anzug war für Männer geschnitten. Daneben Netzstrümpfe, ein kurzer Rock, ebenfalls aus Latex, und ein nietenbesetztes Korsett. Das Korsett hatte zwei querliegende Taschen. Aus einer hing ein weißes Tuch, dessen Ende rot eingefärbt war.
    Schorten inspizierte das Tuch, ohne es anzufassen. Er war sich sicher, dass es sich um Blut handelte. Dieses Tuch war ein wichtiges Beweisstück. Schorten schob den Ärmel seines Jacketts vor und umfasste das Tuch, doch konnte er es nicht herausziehen. Es klemmte im Reißverschluss der Tasche. Vorsichtig öffnete er ihn, dennoch saß das Tuch noch immer fest. Ungeduldig griff Schorten in die enge Tasche. Der Ärmel seines Anzuges rutschte zurück, und er bekam etwas Kaltes, etwas Weiches zu fassen. Einem ersten Impuls folgend, zog er seine Hand zurück und wischte sie angeekelt an seiner Hose ab. Unentschlossen schaute er sich um: alle erdenklichen Gerätschaften, doch kein Messer und keine Schere.
    Schorten seufzte, es blieb ihm nichts anderes übrig. Abermals fuhr er mit seiner Hand in die Tasche. Er konnte einen Knopf ertasten, der das Tuch hielt, und während er diesen Knopf umständlich öffnete, streifte er immer wieder diese kalte Masse. Endlich konnte er das Tuch herausziehen, doch durch die Enge der Tasche drückte er es zusammen. Die Masse entwich und benetzte seine Handfläche. Angewidert ließ er das Tuch fallen und betrachtete seine Hand. Schorten würgte. Zwischen seinen Fingern klebte ein gebrauchtes Kondom. Sperma tropfte auf den Boden. Fahrig schmierte er das Kondom an den Gitterstäben des Käfigs ab, doch die klebrige Substanz blieb haften. Beinahe panisch stolperte er aus dem Käfig und zwängte sich durch die Öffnung zum Schlafzimmer. Er rannte ins Badezimmer, seine Hand versuchte, das Sperma am Stoff seiner Hose abzuwischen. Auf seinem Weg dorthin wurde er von Ian Andersons Stimme verfolgt, die ihn mit der Liedzeile »Well, you’d better lick your fingers clean« verhöhnte.
    Der Spiegel im Badezimmer beschlug. Schortens Hände leuchteten krebsrot, so heiß war das Wasser. Immer wieder drückte er den Seifenspender und rieb seine schmerzenden Hände. Schortens Gedanken rasten, er konnte sich nicht beruhigen. Er musste hier raus, hier konnte er nicht bleiben. Gegen jede Vernunft verließ er die Wohnung – die Platte lief weiter, Kondom und Tuch lagen auf dem Boden der Folterkammer.
    Erst nachdem entgegenkommende Fahrzeuge mehrmals aufgeblendet hatten, schaltete Schorten das Licht an. Er fuhr viel zu schnell auf einer breiten Hauptstraße und starrte immer wieder auf den Fleck auf seinem Hosenbein. In seiner rechten Hand hielt er ein angefeuchtetes Papiertaschentuch, mit dem er vergeblich versucht hatte, den Fleck zu entfernen. Unablässig roch er an seinen Fingern und war sich sicher, immer noch das Sperma des fremden Mannes zu riechen. Was hatte dieses Schwein seiner Frau angetan, wo hatte er sie versteckt?
    Er schwankte zwischen Mordgedanken und absoluter Verzweiflung. Er fühlte sich schmutzig und erniedrigt. Man hatte ihn an seiner verwundbarsten Stelle getroffen. Immer wieder sah er dieses Kondom in seinen Händen, immer wieder hörte er diese Liedzeile. Plötzlich sah er das Album wieder vor seinen Augen und erstarrte. Die Lieder, die sich auf der Originalaufnahme befanden – »Lick your fingers clean« gehörte nicht dazu. Jemand musste, während er sich umgeschaut hatte, die neue, erweiterte Ausgabe der Platte aufgelegt haben. Außer ihm war noch jemand in der Wohnung gewesen! Schorten bremste scharf und riss das Lenkrad herum.
    Im Treppenhaus begegnete ihm eine Frau. »Polizei, gehen Sie sofort in Ihre Wohnung«, bellte er sie an und nahm zwei Stufen auf einmal. Die Tür war nur angelehnt. Schorten zog seine Dienstwaffe und schlich ins Wohnzimmer. Die Musik war aus, das Standby-Licht der Hifi-Anlage leuchtete. In diesem Zimmer befand sich niemand. Auch der Rest der Wohnung war leer. Schorten fluchte. Er war zu spät gekommen. Jetzt konnte er nur retten, was zu retten war. Mit aller Macht überwand er seinen Ekel und sammelte Kondom und Tuch ein. Beides steckte er getrennt voneinander in

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