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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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hingebungsvoll den anderen Körperteilen und vergaß die Zeit. Als sie endlich ins Bett fand, träumte sie davon, ihr Baby in einem Kinderwagen auszufahren.
    Am nächsten Tag wuchtete sich Norma gegen elf aus dem Bett, begierig darauf, die Arbeit vom Vortag zu begutachten. Das Ergebnis zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Langsam vollzog sich die Verwandlung des Rohlings. Seine Haut glänzte matt und fühlte sich samtig weich an. Voller Tatendrang schlüpfte Norma in einen ihrer Hausanzüge.
    Als es an der Haustür klingelte, schreckte sie regelrecht zusammen. Intuitiv flog ihr Blick zum Anrufbeantworter. Sieben Mitteilungen. Ihre Mutter war der einzige Mensch, der sie auf diese Weise tyrannisierte und wahrscheinlich jetzt vor der Haustür stand.
    Norma stöhnte. Es gab kein Entkommen, sie konnte die Klingel nicht ignorieren. Ihre Augen huschten über den Tisch. Der Rohling musste verschwinden. Keiner sollte ihn sehen. Sie wollte ihn mit niemandem teilen. Hastig suchte ihr Hirn nach einem Ausweg. Wenn sie die Körperteile wegräumte, gliche die Szenerie einer unspektakulären Malaktion. Norma schoss vor, griff Kopf, Beinchen, Arme und den Flanellkörper, hob den Deckel der Eckbank und verstaute das Vinylbaby eilig zwischen gestärkten Tischdecken und Stoffservietten.
    »Draußen ist es bitterkalt«, sagte ihre Mutter anstelle einer Begrüßung, als sie das Wohnzimmer betrat. »Auf dem Finkenmoor fahren die Leute Schlittschuh.«
    Norma reagierte nicht, sie saß am Tisch und bemalte einen Tontopf.
    »Was ist los? Warum öffnest du nicht die Tür?« Ihre Mutter befreite sich von Schal, Mütze sowie Handschuhen, legte einige Briefe auf die Kommode und hielt zwei Umschläge in die Höhe. »Vom Arbeitsamt! Hast du wieder Ärger mit denen?«
    Norma antwortete nicht. Die Vergangenheit hatte sie gelehrt, dass dies die beste Reaktion auf Einmischung jeder Art war. Druck wirkte sich sehr negativ auf Norma aus. Stressfaktoren waren unbedingt zu vermeiden. Auch deshalb bohrte ihre Mutter meist nicht weiter nach, ließ schwierige Themen verebben.
    Norma bemerkte aus den Augenwinkeln, dass ihre Mutter die beiden Kuverts auf die Kommode legte, an den Tisch trat und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn drückte. »Was machst du denn da?«
    »Malen.«
    Stirnrunzeln, ein Kommentar blieb jedoch aus.
    Ihre Mutter marschierte in die Küche und kramte einen Topf aus dem Unterschrank. Dabei redete sie ununterbrochen, platzierte ein paar Seitenhiebe wegen der Fastfoodkartons, die sich im Altpapier stapelten, und verfiel anschließend in einen monotonen Singsang. Sie stellte Fragen und gab sich die Antworten selbst.
    Norma hasste es, wenn ihre Mutter sie derart überfiel, ihre Wohnung stürmte und jeden Winkel belagerte wie eine Besatzungsmacht.
    Trotzdem ließ sie sich ihren Missmut nicht anmerken. Solche Stürme saß sie aus. Damit war der Abzug ihrer Mutter am ehesten zu erreichen. Stattdessen lobte Norma aus taktischen Gründen den Geruch der kräftigen Rinderbrühe, die bereits auf der Gasflamme köchelte.
    Später schlang sie das Essen hinunter und schaffte es sogar, eine Art Gespräch zu führen, welches mit Banalitäten gefüllt war, aber dennoch den Ansprüchen ihrer Mutter zu genügen schien. Belohnt wurde Norma mit der Nachricht, dass sie zwei Wochen ungestört bleiben würde.
    »Deine Tante ist krank, ich muss mich mal ein bisschen um sie kümmern.«
    Jetzt schluckte Norma einen Kommentar herunter. So wie sie die Schwester ihrer Mutter kannte, kam diese wunderbar allein zurecht und legte bestimmt keinen Wert auf eine zweiwöchige Invasion, egal wie krank sie war.
    Als ihre Mutter endlich ging, war es später Nachmittag. Norma warf die beiden Briefe vom Arbeitsamt ungeöffnet zu den anderen hinter die Kommode, stürzte zur Eckbank und befreite den Rohling.
    Sie widmete sich nun einem komplizierten Verfahren, bei dem die Vinylteile die Pigmentierung der Haut erhielten. Mit einem feinen Pinsel zeichnete sie Äderchen und Hautirritationen, verteilte anschließend Spezialfarbe in Speckfalten und zwischen die Zehen und strich sie später mit einem Schwamm aus.
    Sie manikürte Finger- und Fußnägel, zeichnete haarfeine elfenbeinweiße Nagelenden und dachte sogar auch an die winzigen Halbmonde am Nagelansatz. Danach erhielten Handinnenflächen, Ohrmuscheln und Fußsohlen die typische Rötung. Für das Anmalen der Lippen mischte Norma die Farbtöne Lila und Burgund. Auch hier trug sie mehrere Schichten auf. Der Effekt trieb ihr

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