Finkenmoor
ihr die Arbeit mittlerweile von der Hand ging. Sägen, bohren, Kanten abschmirgeln. Schneller als erwartet konnte sie den Deckel mit zwei Scharnieren an die Rückwand der Kiste montieren. Doch leider schloss er nicht richtig.
Sie besserte nach. Es dauerte einen halben Tag, bis sie auch damit zufrieden war. Ganz zum Schluss bohrte sie fünf streichholzdicke Löcher in den Deckel, trat einige Schritte zurück und betrachtete ihr Werk.
Anheben konnte sie die Kiste nun nicht mehr. Zu massiv, zu schwer. Nur mit Mühe und vollem Körpereinsatz schaffte sie es, die Holztruhe in der Grube zu versenken. Das Ergebnis befriedigte sie im höchsten Maß. Passgenau versank die Kiste in der ausgesparten Öffnung, und wenn sie den Deckel zuklappte, bildeten Estrich und Kistenverschluss eine Ebene.
Als sie an diesem Abend nach Stade fuhr, hatte sie sämtliches Werkzeug und Material im Kofferraum. Die handwerklichen Arbeiten waren abgeschlossen.
Am nächsten Tag fuhr Phyllis noch einmal in den Wernerwald. Eine Gruppe Wanderer kam ihr entgegen, die sie beschimpften, als sie an ihnen vorbeifuhr. Vielleicht, weil sie ziemlich schnell an ihnen vorbeiraste. Phyllis beachtete sie nicht weiter, parkte vor ihrem Häuschen und stieg in den Keller hinab, in dem es angenehm nach Holz duftete.
Sie holte ein Diktiergerät aus ihrer Tasche, stellte es an, kletterte in die Kiste, schloss den Deckel und schrie so laut sie konnte um Hilfe. Anschließend spulte sie das Band des Aufnahmegeräts zurück und ließ es laufen.
Zufrieden mit dem Ergebnis verließ sie den Wernerwald. Bis zu ihrem nächsten Besuch würde ein bisschen Zeit vergehen.
Cuxhaven-Duhnen, Christian-Brütt-Weg
Phyllis ließ ihre Schwester nicht aus den Augen.
Iska wendete Forellenfilets in der Pfanne. Der Geruch von Knoblauch, Zitronensaft und gebratenem Fisch verbreitete sich in der Küche.
»Ich verstehe einfach nicht, was in den Jungen gefahren ist«, sagte Iska und drehte sich zu Phyllis um. »Ich meine, ich kenne ihn ja nicht so gut, aber im Grunde scheint er doch ein netter Kerl.«
Phyllis richtete sich kerzengerade auf. Sie wollte etwas sagen, aber ihre Schwester ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Er hat Diane windelweich geprügelt! Das ist die Frau, die auf seine Schwester aufpasst, du weißt schon, Maxis Tagesmutter. Sie hat mehrere Platzwunden am Kopf, Prellungen und den Kiefer gebrochen. Kannst du dir das vorstellen! Das ist nicht zu verzeihen! Und ich verstehe auch nicht, warum sie ihre Anzeige zurückgezogen hat.«
»Ich möchte dir etwas anvertrauen«, sagte Phyllis. »Aber du musst mir versprechen, dass du dich nicht aufregst.«
Iska setzte sich an den Tisch.
Phyllis suchte nach Worten. »Du weißt, was ich davon halte, dass Anna Koranth den Mord an ihrem Sohn gerächt hat.«
Iska wurde bleich.
Phyllis kam direkt zum Punkt. »Ich habe das Gleiche vor.«
»Was hast du vor?«
»Ich werde Dallinger töten.«
»Bist du nicht ganz bei Trost?« Iska griff die Hände ihrer Schwester und zog sie über den Tisch zu sich herüber. »Phyllis, mach das nicht! Bitte!«
»Ich weiß, das hört sich verrückt an. Aber ich will und kann so nicht weiterleben. Dallinger kommt raus, und wir werden ihn erwarten.«
Iska ließ die Hände ihrer Schwester los. »Wir? Wer?«
»Diane und ich.«
»Was redest du denn da?«
Phyllis ließ sich nicht beirren. »Diane hat sich Dallingers Vertrauen erschlichen und mit ihm Kontakt aufgenommen, sie schreibt ihm regelmäßig ins Gefängnis. Für uns war es die naheliegendste Idee, um sein Umfeld zu erkunden und seine Entlassung zu beschleunigen. Eine feste Beziehung unterstützt die positive Prognose. Und wie es scheint, geht unser Plan auf. Dallinger hat Diane beim Prozess damals nur einmal gesehen, und das ist Jahre her. Für die wenigen Besuche im Knast hatte sie die Haare gefärbt und eine Brille getragen. Den Justizbeamten hat sie den Personalausweis ihrer Schwester vorgelegt und sich als Emily ausgegeben. Dallinger schöpft keinen Verdacht.«
»Ich verstehe kein Wort! Was hast du denn mit dieser Diane zu schaffen?«
»Wir kannten uns von der Zeit, als ich die Mädchen trainiert habe. Und als dann diese schreckliche Geschichte … Wir halten Kontakt, sie sagt mir, wie es Maxi geht.«
Iska verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihre Schwester an, als spräche sie eine fremde Sprache. Sie ergriff erneut Phyllis’ Hände. »Anna hat ihren persönlichen Rachefeldzug geführt und ihn mit ihrem Leben bezahlt.
Weitere Kostenlose Bücher