Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
sehr leicht, und Finn zog ihn ohne große Kraftanstrengung zum Fenster. Vorsichtig stellte er sich auf die äußeren Kanten, da die Innenfläche von seinem Gewicht sicher zerdrückt worden wäre. Es fehlte noch mindestens ein halber Meter, um aus dem Fenster gucken zu können.
Finn überlegte. Den Eimer konnte er nicht auf den alten Koffer stellen, davon würde er auch zusammen brechen. Und den Eimer auf den Lumpenhaufen zu stellen, wäre viel zu wackelig. Aber vielleicht… Finn hatte eine Idee. Er nestelte an den rostigen Schlössern und bekam den Koffer auch ohne größere Probleme auf. Es war nichts darin außer einem Stück zusammengeknüllten Papiers. Finn holte er die Lumpen, stopfte sie so fest er konnte in den Koffer zu dem Papier und verschloss diesen wieder. Die Lumpen könnten dem Koffer vielleicht die notwendige Stabilität verleihen, um sein Gewicht und den des Blecheimers zu tragen.
Vorsichtig stellte Finn den Eimer auf den Koffer und kletterte dann selber hinauf, wobei er sich an der Wand abstützte. Nichts. Es fehlte immer noch ein gutes Stück, damit er in den Innenhof gucken könnte. Er reckte die Arme, konnte aber das Gitter kaum mit den Fingerspitzen berühren. Entsetzt starrte er auf den hellen Fleck, welcher so unerreichbar für ihn war.
Auf einmal schob sich ein Schatten vor das Gitter. Jemand starrte zurück.
Vor Schreck hätte Finn beinahe das Gleichgewicht verloren. Er schaffte es gerade noch, sich gegen die Wand zu lehnen und dann vorsichtig sein Gleichgewicht wieder zu finden.
Die Person, die durch das Gitterloch starrte, stand im Gegenlicht, so dass er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, aber sie erschien ihm doch recht klein. Es musste eines der Kinder sein, die im Hof gewesen waren. Wie sollte ihm ein Kind helfen?
„He du!“, sagte er leise. Das Kind antwortete nicht.
„Kannst du die Tür aufbekommen und mich heraus lassen?“, versuchte er es noch einmal. Immer noch antwortete das Kind nicht. Dann verschwand es so plötzlich, wie es aufgetaucht war.
Finn traten Tränen in die Augen. Wäre er doch nur nicht aus dem Waisenhaus fortgegangen. Wäre er doch nur bei Fräulein Winter geblieben. Wer weiß, ob Heinz und Lydia wirklich Geld für ihn bezahlten; vielleicht waren sie ja ganz froh, ihn so schnell losgeworden zu sein!
Was aber, wenn sie noch nicht gefunden hatten, was sie haben wollten?
Finn kletterte vorsichtig von seinem wackeligen Turm und setzte sich auf den Koffer. Zum ersten Mal fragte er sich, was die beiden so dringend wollten und wieso sie eigentlich ihn dazu brauchten. Er besaß nichts von Wert und er konnte sich auch nicht vorstellen, wie er jemandem helfen sollte, etwas Wertvolles zu bekommen.
Energisch wischte er sich die Tränen mit dem Handrücken ab. Vielleicht konnte er aus dem Keller entwischen, wenn die böse Frau die Tür aufschloss um ihn zu holen? Vielleicht brachte sie ihm auch etwas zu essen, und er konnte diesen Moment nutzen, um an ihr vorbei zu rennen?
Während Finn sich noch einmal genauer im Keller umsah, um zu überlegen, wo er sich am besten hinstellen konnte, schob sich ein weiterer Schatten vor die Gitteröffnung.
Jemand Größeres stand davor. Wie eben konnte Finn das Gesicht nicht erkennen, aber dann sagte eine Stimme, die er schon einmal gehört zu haben glaubte, leise: „Dann wollen wir dich mal hier heraus holen!“
Der Schatten verschwand und Sekunden später hörte er das Drehen des Schlüssels im Schloss. Sofort sprang er auf und rannte zu Tür, die sich langsam einen Spalt breit öffnete.
Vor der Tür stand ein Mädchen. Finn hatte sich nicht geirrt – die Stimme hatte er schon einmal gehört. Es war das rothaarige Mädchen vom Bonbonladen!
„Wie… wieso…“
Finn konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wo kam das Mädchen plötzlich her, wieso hatte sie einen Schlüssel für die Kellertür?
„Komm schnell“, fuhr ihn das Mädchen an. „Wenn Mutter mich erwischt, zieht sie mir das Fell über die Ohren!“
Dabei grinste sie so spitzbübisch, dass Finn beinahe mitlachen musste.
„Dann los!“, grinste er zurück, nahm das Mädchen bei der Hand und zog sie hinter sich her, fort aus dem Innenhof, wo, wie er aus den Augenwinkeln sah, immer noch einige Kinder standen und ihn anstarrten.
„Danke Annie“, rief das rothaarige Mädchen über ihre Schulter zurück, und dann liefen die beiden Kinder, so schnell sie ihre Beine trugen, durch die Straßen der Stadt.
Nach einer Weile bemerkte Finn, dass das
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