Finne dich selbst!
Motorradfahrer-Café in London? Sie haben mir erlaubt, den Namen zu benutzen! Nun haben wir hier ein Restaurant mit gutem Essen und gutem Service und mit den Konzerten.«
Riku ist ein wandelndes Lexikon der Motorradkultur. Das »Ace Cafe«, Kreuz-Ass-Café, ist der bekannteste Treffpunkt für Motorradfahrer und Rock ’n’ Roller in London. Neben dem Seebad Brighton, neben Sturges und Daytona ist es der legendärste Treffpunkt für Zweiradfahrer weltweit.
»Viele Teds wurden Biker und kamen auf den legendären Coffee Racern, den einzylindrigen Maschinen, auf Norton und Triumph. Sie trugen Eierschalenhelme mit Calimero-Pilotenbrillen. Mods kamen auf ihren Rollern und Rocker auf ihren Motorrädern. So ein Ort für alle wollen wir auch sein. Egal ob du einen Roller fährst, eine kleine Suzuki, eine dicke BMW oder eine Harley oder eine Enduro. Alle sollen sich bei uns treffen und wohl fühlen.«
Riku erzählt, wie fast 100 Freunde und Firmen aus Lahti ihn beim Bau des Museums unterstützten. Eine Betonfirma spendete den Beton. Ein Ausbildungsbetrieb führte mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen viele Arbeiten kostenlos durch. »Acht Jahre lang habe ich an der Idee gearbeitet. Am Ende hat sogar die Stadt Lahti verstanden, was ich hier aufbaue, und sie haben mir dieses Grundstück im Hafen verkauft.«
»Riku, du bist ein bisschen verrückt, oder?«
Sein Freund Juha ruft lachend dazwischen »Riku muss man bremsen!«
Der strahlt: »Ich bin Finne!« Dann sagt er grinsend: »Ich bin ein großer Junge. Und wir sind ein armes Land. Aber wir haben die Russen geschlagen! Wir können alles, was wir wollen!«
Ich erzähle den beiden Finnen die Geschichte meines Motorradführerscheins. Riku legt meiner Mutter den Arm um die Schultern und sagt: »
Äiti kulta!
« Goldene Mama!
Quentin Tarantino tanzt
Es ist schrecklich! Es ist grausam! Ein Mückenangriff in Lappland könnte nicht schlimmer sein. Es ist Donnerstag. Axel hat mich, hat uns tatsächlich verdonnert zum
tanssi
. Meine Eltern sind glücklich. Ich leide.
Immer donnerstags und samstags ist Tanz im Jenkkapirtti in Asikkala. Das ist irgendwo bei Vääksy. Das Jenkkapirtti ist eine hölzerne Tanzhalle mitten in der Provinz. Eher eine Tanzscheune. 700 Quadratmeter Tanzfläche. Groß wie die Wüste Kalahari, aber bevölkert wie New York oder Hongkong. Man sieht den Tanzboden vor lauter Finnen nicht. Der »Tanzbus« hat uns hergebracht. Und bringt uns auch wieder weg. Später. Dazwischen liegt das Tanzdrama. Ich habe seit zehn Jahren nicht mehr so unter Stress gestanden. Früher, in Ostwestfalen, da war das eine Kleinigkeit, da bin ich sogar eine Art Eintänzer gewesen. Aber das ist 25 Jahre her. Minimum.
Seit ewigen Jahren habe ich nicht mehr getanzt. Zuletzt auf der goldenen Hochzeit unserer Eltern. Aber das zählt nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Dort hatte ich mit meiner Mutter getanzt. Sie hatte geführt. Wir tanzten den ostwestfälischen Schieber. Ich glaube, das ist die Variante dessen, was M. A. Numminen mit Geh-Tango beschreibt. Auch Tante Hildegard und Roswitha (angeheiratet) hatten mich aufgefordert. Schieber. Da kommt man rein. Locker. Zwei, drei Bier, und die Sache läuft. Aber das hier, das ist etwas ganz anderes. Das ist der Ernstfall. Und die Finnen nehmen den Tanz ernst, als ginge es ein drittes Mal gegen Russland. Der Sommertanz ist etwas typisch Finnisches. Irgendwo in der Walachei stehen Tanzhallen, und Hunderte von Finnen kommen aus der jeweiligen Region herangefahren.
Wir sind in Lahti am Marktplatz in den Tanzbus eingestiegen. Der Bus fährt zweimal in der Woche, immer donnerstags und samstags. 19 Uhr 30 hin und um 1 Uhr 30 zurück.
»Bisschen lang«, sagt Hermann.
Da bin ich noch obenauf. »Lässt du nach?«, frage ich.
Er grinst. »Warte mal ab!«
25 Euro für jeden. »So teuer? Denn bliewe ick to huse.« Hermann schüttelt den Kopf.
»Mit dem kannst du nirgendwohin«, sagt Ilse.
»Das ist quasi Taxi für zwei Strecken und der Eintritt«, sage ich.
»Und lohnt sich«, sagt der Busfahrer, überraschend auf Deutsch.
»Dann hat der genau verstanden, dass du zu geizig bist, um mit mir tanzen zu gehen«, sagt Ilse.
Hermann bezahlt. »Dreimal.«
»Oh, vielen Dank«, sagen Ilse und ich im Chor.
Der Busfahrer nimmt erst das Geld, dann gibt er uns die Hand. »Ich bin Johanni.«
Johanni erstaunt uns mit erstklassigen Deutschkenntnissen. Er erzählt, dass er 1962 fast ein Jahr lang in Hamburg gewohnt habe, er arbeitete für
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