Finnischer Tango - Roman
die Autonummer … ruf die Polizei an … renne weg … wo bleibt Mikko? Eevas Puls beschleunigte sich, ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren, bis der Türke die Vergrößerung eines Fotos von Kirsi neben sein fleckiges Gesicht hielt, mit der Waffe darauf zeigte und lächelte. Dann bedeutete er ihr, sie solle zu ihm kommen, und die hintere Tür des Wagens öffnete sich. Angst packte Eeva und lähmte sie.
»Möchten Sie schon bestellen?«, fragte der Kellner.
Eeva sprang auf. Saß Kirsi im Auto des Türken? Warum hatte sie am Abend das Gespräch einfach abgebrochen, mit dem Mann am Telefon zu reden hielt sie jetzt für die wesentlich angenehmere Alternative, als ihm persönlich zu begegnen. Sie war gezwungen, in das Auto zu steigen, Kirsi durfte nichts passieren.
Eeva schnappte sich ihren Mantel von der Stuhllehne, ohne sich um die Fragen des verblüfften Kellners zu kümmern. Sie fürchtete, dass ihr die Beine versagten, als sie die wenigen Meter bis zum Auto lief. Vor Angst spürte sie ein Stechen in den Muskeln. Kaum hatte sie sich hinten neben einen dunkelhaarigen Mann gesetzt, gab der Fahrer Gas und fuhr in Richtung Kauppatori.
»Wo ist Mikko? Ist Kirsi wohlauf? Weshalb …«
»Ihrer Tochter und Ihrem Freund geht es gut. Bei unserer Besichtigung des Fotoateliers haben wir nur dafür gesorgt, dass Ihr Freund dort noch ein wenig … aufgehalten wird«, sagte Turan Zana.
»Weshalb haben Sie …«
»Ich bedaure die dramatischen Umstände dieser Begegnung. Aber die Polizei hört wahrscheinlich Ihr Telefon ab, und möglicherweise wird auch Ihre Wohnung schon überwacht.« Zana reichte Eeva einen Stapel Fotos.
Als Eeva einen Blick auf das oberste Foto warf, drehte es ihr fast den Magen um. War das die bis zur Unkenntlichkeit zugerichtete Leiche Arkadi Kirilows? Wo hatte man das Foto aufgenommen? Jedenfalls nicht in der Sepänkatu.
»Wie ich gestern bereits erwähnt habe, wurde Kirilow nicht in Ihrer Wohnung, sondern in Hernesaari ermordet«, erklärte Zana in angespanntem Ton.
»Was wollen Sie? Ich kann doch nicht …«
»Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, übermitteln wir der Polizei jene Beweise, die Sie von jedem Verdacht befreien. Das Sorgerecht für Ihre Tochter ist dann nicht gefährdet.«
Eeva wollte die unumgängliche Frage nicht stellen, obwohl sie es gern getan hätte. Kirsi und Mikko zuliebe wäre sie bereit, die Wünsche des Türken zu erfüllen, aber wozu würde man sie dann zwingen? »Was für eine Zusammenarbeit?« Sie bereute ihre Worte schon, als sie noch in der Luft hingen.
Der Türke schien zufrieden zu sein. »Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn Sie eingewilligt haben. Falls Sie sich entschließen, uns zu helfen, gibt es kein Zurück. Ihre Entscheidung ist unwiderruflich. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir nur Ihr phänomenales Zahlengedächtnis benötigen, Ihre Aufgabe hängt in keiner Weise mit Gewalt oder Drogen zusammen.«
Durch den Stress spürte Eeva einen bitteren Geschmack im Mund, sie fürchtete, der gestrige Alptraum könnte sich wiederholen: das Verlangen nach Drogen, die Verzweiflung … Doch jetzt musste sie an Kirsi denken. Aber einegute Alternative gab es nicht: Sie würde ihr Sorgerecht auch dann aufs Spiel setzen, wenn sie einwilligte, Kriminellen zu helfen. Würde der Mann Kirsi umbringen, wenn sie eine Zusammenarbeit verweigerte?
»Wir wollen, dass Sie sich jetzt entscheiden, sonst müssen wir zu … härteren Mitteln greifen, um Sie zu überzeugen. Denken Sie an Ihre Tochter, die Sie sicherlich nicht verlieren möchten oder …«
Das Auto blieb vor dem Kauppatori an der Ampel stehen. Eeva sah im Rückspiegel, dass hinter ihnen ein Polizeiauto anhielt, und traf ihre Entscheidung blitzschnell. Sie stieß die Tür auf und rannte schon über das glatte Pflaster, bevor der Türke oder seine Helfer überhaupt reagieren konnten.
Eeva raste über die Pohjoisesplanadi und wäre fast von einem großen Jeep überfahren worden, hinter ihr dröhnte die Hupe. Sie stürmte zur Sofiankatu und beschleunigte ihr Tempo in der Fußgängerzone, die durch die Heizungsrohre nicht vereist und glatt war.
Dann bog sie nach links ab, denn der Senatsplatz war zu leicht überschaubar. Im Laufschritt steuerte sie das Menschengewimmel in der weihnachtlich geschmückten Aleksanderinkatu an.
Müsste sie die Polizei anrufen? Aber was sollte sie sagen? Dass der Türke, den niemand anders gesehen hatte, sie ein paar hundert Meter durch das Zentrum gefahren und gebeten hatte, mit ihm
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