Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Mike hatte wieder nicht daran gedacht, dass er keine Donuts mit Schokoladenüberzug mochte. Er tunkte den Ring in den Kaffee und steckte dann den ganzen Leckerbissen auf einmal in den Mund.
Murrays Gruppe hatte von der Hintertür und dem »Hund« Wind bekommen, als sie E-Mails von Protaschenko an eine Moskauer Adresse abgefangen hatte. Der Mann hatte den Fehler begangen, das Wort »Inferno« zu erwähnen. Die englische SIGINT-Station in Meanwith Hill erkannte das Wort und zeichnete die Nachricht auf. Von Meanwith Hill aus wurde das Projekt »Moonpenny« geleitet, dessen Aufgabe darin bestand, die Satellitenverbindungen Russlands auszuspionieren. Zur Enttäuschung der NSA hatte Protaschenko jedoch nie erwähnt, auf wen man es bei dem Raubzug abgesehen hatte oder wer die Informationsquelle mit dem Decknamen »Hund« war. Murray musste also unbedingt das Verbindungsglied zwischen Protaschenko oder dem »Hund« und dem Opfer des Dateneinbruchs finden. In einem der zahllosen Informationssplitter war garantiert der entscheidende Hinweis versteckt.
Ein Vorkommnis ging ihm hartnäckig immer wieder durch den Kopf: Der Tod des Amerikafinnen und Kodierers der National Bank Sam Waisanen in Big Pine Key. Es sah so aus, als wäre er überfahren worden, aber irgendetwas daran störte Murray. Es gab keine Augenzeugen, und der Fahrer des Lkw war wie vom Erdboden verschluckt.
Er musste die Angelegenheit genauer überprüfen, denn die National Bank verwendete das Inferno-Programm.
24
Igor Sterligow saß in einem Jacuzzi des Yorokobi-Bades im Hotel »Haikon kartano« und versuchte die behagliche Wärme des Wassers zu genießen. Er hatte eine ShinDo-Behandlung bestellt, um sich zu beruhigen. Das zweite Mal in seinem Leben war eine Liquidierung fehlgeschlagen. Am meisten ärgerteihn, dass es sich auch diesmal um einen Finnen handelte. Er verstand nicht, wie der Rettungswagen rechtzeitig in dem Restaurant hatte eintreffen können. Zu allem Übel hatte er erst in Finnland erfahren, dass Anna-Kaisa Holm gerettet worden war. Jetzt musste er sich darauf verlassen, dass seine Mitarbeiter die Frau umbrachten, bevor sie ihn der SUPO oder jemand anderem verriet. Sie könnte die ganze Operation Inferno zunichtemachen.
Wie immer an einem Freitagabend waren die Becken mit wohlhabenden Gästen gefüllt. Neben dem Bad im japanischen Stil gefiel Sterligow die Lage des »Haikon kartano«. Am Rande von Porvoo war es sehr viel unwahrscheinlicher, auf alte Bekannte zu treffen als in Helsinki. Er betrachtete die großbusige Frau, die aus dem Becken nebenan stieg, griff nach dem Wodka-Glas auf dem Tablett und sagte sich zum hundertsten Mal, dass die Arbeit als Aufklärungschef von Swerdlowsk Vorzüge hatte, von denen man beim SVR nicht einmal träumen konnte. Einer davon war das unbegrenzte Konto für Repräsentationszwecke.
Der Fall Inferno hatte ihn zum ersten Mal seit dem Desaster bei der Operation Ebola-Helsinki vor anderthalb Jahren wieder hierhergeführt. Finnland war für Swerdlowsk zu klein. Sie betrieben hier nur Prostitution, und manchmal wurde das Land für den Transit von Rauschgift und zum Testen neuer synthetischer Drogen benutzt.
Der gefälschte Pass, die farbigen Haftschalen, die mit Silikonspritzen veränderte Form der Wangenknochen und der Nase und die schwarz gefärbten Haare garantierten, dass man ihn nicht erkennen würde. Außerdem hatte er von seinen Maulwürfen Holm und Irina erfahren, dass die Suche nach ihm schon vor geraumer Zeit eingestellt worden war. Alle glaubten, er sei tot. Anfangs war er verbittert gewesen, dass er beimEbola-Helsinki-Fall versagt hatte und den SVR verlassen musste. Mit Zwanzig war er zum KGB gekommen und hatte den Auslandsaufklärungsdienst von da an als sein Zuhause angesehen. Die Freiheit und der Überfluss im privatwirtschaftlichen Sektor hatten ihn jedoch später schnell in ihren Bann gezogen. So war es vielen seiner Kollegen ergangen. Fast die Hälfte der ehemaligen KGB-Offiziere arbeitete jetzt entweder in Wachschutzfirmen, Banken, Industrieunternehmen, kriminellen Organisationen oder im Auftrag ausländischer Nachrichtendienste. Finnland hatte er nicht einen Augenblick vermisst. In die Helsinkier Geheimdienstfiliale hatte man ihn seinerzeit geschickt, weil seine Eltern Weißmeerkarelier waren und er Finnisch sprach. Dafür durfte er sich sein ganzes Leben lang schämen.
Im warmen Wasser schwoll die Haut an. Er trank den Rest des Wodkas in einem Zug aus, ging unter die Dusche und fluchte
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