Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Jetzt war eine Dusche angebracht, und ein zweiter Wodka. Erfrischt ging er in den Salon, bestellte telefonisch den Wodka und setztesich in einen Sessel. Als er sein Gesicht im Spiegel sah, zuckte er zusammen. Er hatte sich immer noch nicht an die Brandnarbe gewöhnt, sein Andenken an die Explosion in Hernesaari. Auch dafür gebührte der Dank Arto Ratamo. Der Fleck erinnerte ihn an Gorbatschow, den armseligen Kerl, der in seiner Schwäche die Sowjetunion zerstört hatte.
Erst knackte der Zigarrenschneider und dann das Butanfeuerzeug. Der üppige Rauch einer Hoyo de Monterrey Double Coronas liebkoste seinen Gaumen.
Der Einbruch in Wiremoney wäre ein glänzender Nachweis seiner Fähigkeiten, überlegte Sterligow. Die IT-Spezialisten von Swerdlowsk hatten über Jahre versucht, mit Hackermethoden in die Datensysteme der großen internationalen Banken einzudringen. Das erforderte einen riesigen Aufwand und war höllisch teuer. Man benötigte mindestens ein halbes Dutzend Spitzenprogrammierer, eine Kontaktperson innerhalb der Bank und redegewandte Leute, die Bankangestellten Informationen entlockten. Für die Programmierer, die Bestechungsgelder und die Anlagen brauchte man ungeheure Summen. Und die Arbeit ging nur langsam voran. Man musste die Details der Computerprogramme einer Bank ermitteln, deren Schwachstellen testen und Passwörter von Mitarbeitern beschaffen. Trotz der riesigen Anstrengungen war es Swerdlowsk nur einmal gelungen, in das Datensystem einer großen Bank einzubrechen. Mitte der neunziger Jahre schafften sie es, von den Konten der Citibank mickrige zehn Millionen Dollar zu stehlen, und selbst dafür hatte man Monate gebraucht. In Wiremoney würde man nicht von außen, sondern von innen eindringen und innerhalb weniger Minuten eine unbegrenzte Menge Geld rauben.
Sterligow wollte den Fall Inferno auch aus persönlichen Gründen stilvoll zu Ende bringen. Der Grund hieß Arto Ratamo, der Mann, der seine Laufbahn beim SVR ruinierthatte. Von Holm wusste er, dass Ratamo wegen seiner Vietnamesisch-Kenntnisse an den Inferno-Ermittlungen beteiligt war. Also hatte er der SUPO mit ihrer Hilfe den Hinweis auf Bui Truong untergeschoben und so sichergestellt, dass es für Ratamo bei den Ermittlungen auch weiterhin genug zu tun gab. Zugleich hatte er damit die SUPO den Chinesen auf den Hals gehetzt.
Was sollte er als Nächstes tun? Ohne Holm hatte er nicht die geringste Hoffnung, das Passwort von der SUPO zu bekommen. Der »Hund« antwortete auf seine E-Mails nicht mehr. Und Simo Tommila? Der »Hund« hatte geschrieben, Tommila sei der einzige, der das Passwort auswendig kenne.
Als Erstes musste er jedoch klären, was Tang plante. Zum Glück war Irina ihm treu ergeben, obwohl man sie seinetwegen beim SVR gefeuert hatte. Sie war in all den Jahren seine beste Geliebte gewesen.
Vor einer Woche hatte Irina ihm die Kundennummern und Kontendaten von Kunden der National Bank übergeben. Irina würde er auch künftig ausnutzen können.
25
Ratamo betrachtete Himoaalto, der neben ihm rannte und schnaufte wie ein asthmatisches Kamel. Er musste ihm einen kleinen Vorsprung lassen. Wenn er zu ihm aufschloss, gab Timo Gas, und das Ende vom Lied wäre ein Wettrennen gewesen. Dann würden die Muskeln durch die Milchsäure steif werden, und am nächsten Tag liefe er wie ein Astronaut. Himoaaltos Drang, möglichst der Beste zu sein, war schon immer sehr ausgeprägt gewesen. Im Fußball bei den Junioren hatte Timo wie verrückt trainiert, aber es reichte trotzdem meist nur für dieErsatzbank. Den Erfolg, der ihm damals verwehrt blieb, suchte Timo nun anscheinend bei allem, was er in Angriff nahm, dachte Ratamo und wunderte sich, dass Himoaalto ihm keine einzige Frage zu den Ermittlungen gestellt hatte. Da die Lage aus Timos Sicht so ernst war, hatte er angenommen, dass sein Freund sich im Unterschied zu sonst nach seiner Arbeit erkundigen würde.
Gegen sechs Uhr abends waren beide am Reitplatz von Laakso losgelaufen und trabten nun auf dem Radfahrweg im Zentralpark, auf dem der Schnee geräumt war, in Richtung Pirkkola. Aalto trug einen Goretex-Anzug und eine Schirmmütze mit Ohrenschützern, Ratamo Trainingshosen und ein wollenes Trainingshemd, auf dessen Rücken zu lesen war: »MOTOR«. Es herrschten ein paar Grad minus, die Sonne war gerade untergegangen. Der nasse Schnee vom Vortag war auf den Zweigen gefroren und glitzerte im Licht der Laternen. Der Weg war nicht gestreut und stellenweise so vereist, dass sie genau
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