Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Parabolspiegels betrug mehr als einen Kilometer, und der Windfilter minimierte wirkungsvoll alle Störgeräusche. Er war stolz auf die technischen Überwachungsgeräte der SUPO, wusste aber sehr wohl, dass sie im Vergleich mit den Vorrichtungen der großen Nachrichtendienste Spielzeug waren. Der NSA stand ein sogenanntes Fliegenmikrofon zur Verfügung, das seinem Zielobjekt in der Luft folgen konnte. Den Gerüchten nach kostete so ein Meisterwerk der Feinelektronik Millionen.
Loponen konnte die beiden Männer nicht länger belauschen. Das Gesetz verbot es, Ratamos Wohnung abzuhören. Er fürchtete, dass Ketonen ungemütlich werden würde, wenn er seinen Bericht hörte.
Nellis Geigenlehrerin, eine junge Studentin am Konservatorium, erwartete in der Korkeavuorenkatu den Vater ihrer Schülerin. Ratamo drückte ihr einen Geldschein in die Hand und fragte, was für Fortschritte Nelli mache. Überrascht erfuhr er, dass Nelli begabt sei. Er hatte angenommen, Nelli habe kein Gehör, weil er selbst musikalisch eine absolute Null war. Es ließ sich leicht erraten, von wem sie ihr Talent geerbt hatte.
Nelli hatte sich vor dem Fernseher hinter den großen Sofakissen verschanzt, starrte auf den Bildschirm, wo eine einheimische Seifenoper lief, und tat so, als würde sie ihren Vater und den Patenonkel nicht bemerken.
»Sind die Hausaufgaben gemacht?«, fragte Ratamo und bemühte sich, seine Stimme so klingen zu lassen wie die eines fürsorglichen Vaters.
»Mutti hätte mich nie drei Abende hintereinander allein gelassen!«, rief Nelli und stürzte in ihr Zimmer.
Ratamo schaute ihr betroffen hinterher. Er durfte seineTochter wegen der Arbeit nicht vernachlässigen. Das hatte er sich geschworen. Diese Ermittlungen waren jedoch eine Ausnahme: Man hatte versucht, eine seiner Kolleginnen zu ermorden, und sein Freund stand im Verdacht, einen Diebstahl und noch alle möglichen anderen Dinge begangen zu haben. Er löffelte einen großen Berg Vanilleeis auf einen Teller, verzierte die Portion mit Karamellsoße und ging in Richtung Nellis Zimmer, um sie zu versöhnen.
Aalto saß schon auf der Pritsche, als Ratamo mit der in Alufolie eingewickelten Wurst die kleine Sauna betrat. Er hatte sich einen größeren Saunaofen besorgt, als vom Verkäufer empfohlen worden war, weil er auf einem Teil der heißen Steine seine Wurst braten wollte.
Beide genossen es, wie die durch Kälte und Anstrengung verhärteten Muskeln weich und geschmeidig wurden, und schütteten abwechselnd Wasser auf den Ofen. Der Scheitel des fast zwei Meter großen Aalto berührte die Bretter an der Decke. Ratamo empfand die Stille als so natürlich, dass er sie nicht stören wollte, zumindest nicht mit Fragen nach Inferno. Die ganze Aufgabe kam ihm jetzt blöd vor. Timo hätte dem Russen nie Daten verkauft; er war schließlich Nellis Patenonkel und wusste, was man dem Mädchen angetan hatte, redete er sich ein. Doch er hatte leider auch nicht vergessen, dass Himoaalto im Teenageralter der am meisten gefeierte Dieb der Schule war. Bei den Mädchen hatte er sich beliebt gemacht, weil er freigebig Zigaretten und andere Dinge verteilte, die er in Kiosken und kleinen Läden geklaut hatte. Und dieses Hobby hatte er aus irgendeinem Grund auch dann noch lange beibehalten, als es seine Altersgefährten schon für kindische Faxen hielten. Natürlich war das damals nur dumme Angeberei eines Schuljungen gewesen, dennoch störte die Erinnerung Ratamo.
Sie duschten und wickelten sich danach Handtücher um dieLenden. Ratamo legte die CD »Eden« von Kroke auf. Seit einiger Zeit fand er Gefallen an der traditionellen Klezmer-Musik der Juden. Aalto setzte sich in den alten Schaukelstuhl des kleinen Kamin- und Gästezimmers und Ratamo auf den Kugelstuhl, der in seiner Kindheit Mode gewesen war. Nach der Sauna schmeckten die gebratene Wurst und das Bier.
»Ist die aus dem Supermarkt?«, fragte Aalto mit ernster Miene.
»Na klar. Für Männer der A-Klasse gibt es eine Wurst der B-Klasse«, erwiderte Ratamo fast stolz. An Traditionen musste man festhalten.
»Wie geht’s zu Hause?«, fragte Ratamo undeutlich mit halbvollem Mund.
»Ich müsste weniger arbeiten. Seit dem Einstieg bei SH-Secure bin ich immer so gestresst, dass sich Seija beklagt, weil ich keine Lust auf Sex mehr habe. Seija sagt, wenn ein Ehepaar nicht miteinander schläft, weil einer von beiden nicht will, dann wäre das so, als würden alle beide nichts essen, weil einer von beiden keinen Hunger hat. Und früher
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